Regression im Traum
Unter „Regression“ versteht man im Alltag meistens ein Zurückfallen von erwachsenem, vernünftigem Verhalten und Erleben auf eine kindliche, unreife Vorstufe. Es gibt den Begriff „Regression“ bei Sigmund Freud jedoch auch im Zusammenhang mit dem Traum. Hier bedeutet Regression, dass die psychischen Prozesse umgekehrt zum Wachzustand ablaufen. Aus der bereits abgelegten, unbewussten Erinnerung, entstehen wieder sinnliche Bilder, die wir lebhaft wahrnehmen. Sprachlich gedachte Gedanken verwandeln sich zum Beispiel zurück in Bilder. Im Traum sehen wir halluzinatorisch Bilder, die unsere Sinne stark ansprechen (Traumdeutung, Fischer-Verlage 2003, S. 535). Freud sagt, dass der Traumvorgang eine „Regression innerhalb des von uns angenommenen seelischen Apparates“ ist (S. 534).
„Wir heißen es Regression, wenn sich im Traum die Vorstellung in das sinnliche Bild rückverwandelt, aus dem sie irgendeinmal hervorgegangen ist.“
Den psychischen Apparat erklärt Freud hier so, dass es verschiedene Stufen von vorne nach hinten gibt. Im Wachen nehmen wir etwas wahr. Wir haben ein sinnliches Erlebnis und dies wandert innerhalb des Apparates schließlich zu einem „motorischen Ende“ (z.B. können wir unruhig werden und uns bewegen, wenn wir Aufregendes wahrnehmen). Im psychischen Apparat entstehen nach der Wahrnehmung auch Erinnerungsspuren. Am „motorischen Ende“ des Apparates steht das Vorbewusste.
„Das letzte der Systeme am motorischen Ende heißen wir das Vorbewusste, um anzudeuten, dass die Erregungsvorgänge in demselben ohne weitere Aufhaltung zum Bewusstsein gelangen können …“ Dazu brauche die Erregung eine gewisse Intensität. Sigmund Freud, Traumdeutung, Zur Psychologie der Traumvorgänge, Projekt Gutenberg
Es strömt zurück
Vom Denken geht es im Schlaf und Traum also zurück auf den Ursprung, nämlich auf die „sinnlichen Bilder“. Freud erklärt es mit einer Art Energie, oder Strömung, die im Schlaf in die entgegengesetzte Richtung verläuft als im Wachen. Interessant dabei ist, dass das motorische System im Schlaf ja ausgeschaltet ist – so geht das Seelische also den Weg vom motorischen Ende des seelischen Apparates zurück nach vorne zum Wahrnehmungsende.
„Bei Tag gibt es eine kontinuierlich laufende Strömung von dem Psi-System der Wahrnehmung her zur Mobilität.“ Sigmund Freud: Traumdeutung, Die Regression, Projekt Gutenberg
Das heißt: Wir haben einen inneren oder äußeren Reiz, eine Sinneswahrnehmung (für innere und äußere Reize), einen „Trieb“ und es entstehen Vorstellungen, Denkaktivität und Bewegung (z.B. Weglaufen mithilfe der quergestreiften Muskulatur bei äußeren Gefahren oder Zusammenziehen der glatten Muskulatur bei inneren Gefahren). In der Nacht scheint die Erregung zurückzuströmen auf die Sinne.
„… so erklärt sich uns die … Tatsache, dass alle Denkrelationen der Traumgedanken bei der Traumarbeit verlorengehen oder nur mühseligen Ausdruck finden.“ Sigmund Freud, Projekt Gutenberg. Die Traumarbeit kann man sich also wie ein „Demontieren“ vorstellen: „Das Gefüge der Traumgedanken wird bei der Regression in sein Rohmaterial aufgelöst.“ Der Schläfer schließe sich dabei von der Außenwelt ab, so Freud.
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Dieser Beitrag wurde erstmals am 12.7.2015 veröffentlicht.
Aktualisiert am 17.6.2024