Kaltherzigkeit: „Und dann habe ich zugemacht. Aber wie mache ich wieder auf?“
Wir können uns gut betäuben: mit Milch, Schokolade, Süßigkeiten, Twitter, aber auch mit einer starren Körperhaltung. Wenn uns etwas zu viel wird, dann können wir zumachen – wir bekommen eine versteinerte Mimik, verschränken die Arme, ballen die Fäuste und spüren nichts mehr. Der Schmerz ist ausgeschaltet. Die Kränkungen prasseln an uns ab. Wir schützen uns mit diesem Zumachen. Aber dann merken wir: Wir bleiben zu. Nicht nur der Schmerz, sondern auch jedes andere Gefühl ist weg. Wir können mit dem anderen nicht mehr wirklich kommunizieren. Aber wie kriegen wir uns wieder auf? Wie können wir wieder mitfühlen – mit uns selbst und anderen?
Stress, Angst, Wut, Neid, Schmerzen und Selbsthass – das alles sind Gefühle, die uns dazu verleiten, uns „zuzumachen“. Wir fühlen nichts mehr. Um wieder aufzumachen, brauchen wir Ruhe.
Die Sinne anregen
Wir können wieder wach werden, wenn wir unsere Sinne anregen. Wir können kurz barfuß herumlaufen oder einmal spüren, wie wir durch die Nase atmen. Vielleicht fühlt sich die Nase ebenfalls „wie zu“ an. Vorausgesetzt, wir sind nicht erkältet, können wir unserem Luftzug durch die Nase nachspüren. Wir können versuchen, „feiner“ zu atmen. Dabei merken wir vielleicht, wie sich etwas verändert: Wir werden wieder aufmerksamer. Zuerst erreicht uns nur unsere Atemluft – mit der Zeit aber sind wir auch wieder offener für den Blick des anderen.
Den Kontakt zum Körper und zum Boden herzustellen kann helfen, auch den Kontakt zu sich und den anderen wiederzufinden. Wir können zur Toilette gehen, das Toilettenpapier in sehr warmes Wasser tränken und es sanft gegen den Anus drücken. Das hat eine wärmende und entspannende Wirkung.
Doch wenn es nicht klappt mit dem Wiederaufmachen, kannst Du nichts dafür, denn Körper und Seele gehen nach dem „Zumachen“ eigene Wege. Wir brauchen mitunter viel Zeit, bis wir wieder „auf“ sind. Manchmal dauert es so lange, bis wir an einem guten Morgen endlich wieder einmal ausgeschlafen sind.
Musikstimmen verfolgen
Auch Musik kann uns dabei helfen, wieder auf zu gehen. Es gibt Musikstücke, die komplex zusammengesetzt sind wie z.B. die Johannespassion von Bach (Youtube). Wenn wir solche Stücke hören und uns mit unseren Ohren in eine Stimme einklinken und nur diese Stimme verfolgen, können wir eventuell auch spüren, wie unsere Mauer an Dicke verliert. Wir können auch Lieder mitsingen, die unsere aktuelle Stimmung widerspiegeln wie z.B. der Cold Man im Cold Song von Purcell (Youtube). Wir können auch danach lauschen, ob vielleicht ungewöhnliche Stimmen in der Musik enthalten sind: Vielleicht können wir eine Cembalo-Stimme erfassen. Wir müssen unsere Ohren da „auf ganz fein“ stellen (siehe: Wir können unsere Ohren bewusst spitzen).
Hier eignet sich „ungewöhnliche“ Musik wie z.B. von Ludovico Einaudi oder Philip Glass (American Four Seasons, Youtube). Chormusik oder kirchliche Musik können die Ohren öffnen (z.B. Hans Jürgen Hufeisen: Klang der Schöpfung). Manche gehen im Jazz auf, andere im vedischen Chanten. Über den bewussten Einsatz unserer Sinne – und auch unserer Stimme – können wir wieder den Weg nach draußen finden.
„Nach meiner Erfahrung sind das Gebet und die Andacht das Tor, durch das man die Burg betreten kann.“ Teresa von Avila: Die innere Burg (1577)
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Links:
Pema Chödrön
How To Connect With The Open Unobstructed Clarity Of Your Own Being In Every Moment
https://youtu.be/HYPLddWowsA
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 31.1.2017
Aktualisiert am 17.8.2023