Dreimal oder viermal? Wie oft in der Woche ist Psychoanalyse sinnvoll?
Die Gemüter erhitzen sich, wenn es um die Frage geht: Wieviele Psychoanalyse-Sitzungen pro Woche sind sinnvoll? Die Antwort lautet wie so häufig: Es kommt darauf an. Vielleicht lässt sich diese Frage auch nur von denjenigen ernsthaft beantworten, die die Erfahrung einer vierstündigen Psychoanalyse gemacht haben. Nur wer selbst eine Weile drei, vier oder fünf Stunden pro Woche als Analysand auf der Couch liegt, weiß, wie es sich anfühlt und kann seine Erfahrungen schildern. Manche Patienten sind noch nie mit einer Psychotherapie in Berührung gekommen. Sie leiden unter großen Ängsten und wollen die Kontrolle in jeder Situation behalten. Bei manchen Patienten ist es sinnvoll, mit einer Psychotherapie einmal pro Woche im Sitzen zu beginnen, weil alles andere diese Patienten überfordern würde.
Es kann aber auch sinnvoll sein, gerade bei großen Ängsten mit einer Psychoanalyse mit vier Terminen pro Woche zu beginnen, denn so bauen sich die Ängste in den Pausen nicht wieder so stark auf und können direkt am nächsten Tag abgemildert werden.
Zweimal pro Woche
Ist die Beziehung gewachsen, spüren vielleicht sowohl der Patient als auch der Therapeut, dass eine höhere Frequenz pro Woche „mehr bringt“. Es kommen neue Themen auf, wenn die Therapie zweimal pro Woche stattfindet. Der Patient spürt vielleicht in diesem neuen Rhythmus mehr Halt, aber auch eine stärkere „Einengung“. „Mir ist das schon fast zu viel“, sagen manche Patienten. Der Patient gibt vor, was ihm gut tut und was er braucht. „Mir ist das zu wenig“, sagen andere.
Psychoanalytische Therapie im Sitzen oder im Liegen
Viele Patienten brauchen erst einmal den Blickkontakt zum Therapeuten. Wie sieht er aus? Wie reagiert er auf das, was ich sage? Der Blickkontakt, die Mimik und Gestik des Therapeuten sind für viele Patienten sehr wichtig und haben einen therapeutischen Effekt. Ähnlich, wie die Mutter über die Mimik und die Blicke mit dem Säugling kommuniziert, so kommuniziert der Therapeut im Sitzen mit dem Patienten. Wann schaut er weg, wann sucht er Halt im Blick? Vielen Patienten ist es wichtig, das Bild des Therapeuten sozusagen in ihre Psyche aufzunehmen, bevor sie sich auf die Couch legen können.
Psychoanalyse: Drei- oder viermal pro Woche im Liegen
Werden die Patienten nicht mehr allzu stark von ihren Gefühlen und Phantasien überwältigt, können sie zu einem gewissen Maße vertrauen und Kontrolle abgeben, dann wechselt das Setting oft vom Sitzen zum Liegen. Der Patient legt sich auf die Couch und der Analytiker sitzt hinter ihm. Und jetzt geht es häufig um die Frage: Was ist besser? Die dreistündige oder die vierstündige Psychoanalyse?
Die vier- und fünfstündige Psychoanalyse (= vier bis fünf Termine pro Woche) wird als „hochfrequente“ Psychoanalyse bezeichnet. Manche bezeichnen auch schon eine Analyse mit drei Terminen pro Woche als „hochfrequent“. Aus meiner Sicht spricht man dann von einer hochfrequenten Psychoanalyse, wenn der überwiegende Teil der Woche mit einer Sitzung gefüllt ist (also z.B. vier Tage „mit“ und drei Tage „ohne“ Sitzung). Letzten Endes kommt es darauf an, was man als Analytiker und als Patient selbst erfahren hat und wie man die Drei-, Vier- und Fünfstündigkeit empfindet.
Die eigene Erfahrung zählt
Zur Frage der „Drei- oder Vierstündigkeit“ hat jeder andere Ansichten. Manchmal wird nur theoretisch darüber diskutiert. Doch um darüber sprechen zu können, muss man als Psychoanalytiker und als Analysand selbst die Erfahrung der Drei- und Vierstündigkeit gemacht haben. Die Erfahrungen hängen natürlich auch von der Person des Analytikers, von der Tiefe des eigenen Traumas, von der Passung zwischen Patient und Analytiker sowie der Qualität der Arbeit des Analytikers ab.
Manchmal erinnert die hochfrequente Analyse an die Arbeit eines Tierfilmers: Man muss Stunden, Tage, Wochen auf der Lauer liegen, bis man einen bestimmten Moment vor die Linse bekommt. Nur mit dieser Geduld gelingt es, entscheidende Momente zu erblicken.
Mehr im Fluss
Die dreistündige Analyse geht aus meiner Sicht etwas „holpriger“ vonstatten als die vierstündige. Bei einer dreistündigen Analyse erhält der Patient zum Beispiel montags, mittwochs und freitags Impulse. Dazwischen ist immer ein Tag, an dem man in ein Loch fallen kann. Oder aber das Wochenende erscheint zu lang. Die vierstündige Analyse kann den Analysanden noch besser halten und die Veränderungen verlaufen glatter. Die Analyse von Träumen ist zudem oft effektiver, wenn der Patient direkt nach der Traumnacht eine Sitzung hat. Viele empfinden es so, dass die Veränderungen durch die vierstündige Analyse tiefgreifender und stabiler sind als bei einer dreistündigen Analyse.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 10.2.2015
Aktualisiert am 28.10.2023
3 thoughts on “Dreimal oder viermal? Wie oft in der Woche ist Psychoanalyse sinnvoll?”
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hierzu gibt es einen sehr interessanten artikel:
„Gerd Schmithüsen: Was Sie schon immer über die „Frequenzfrage“ in psychoanalytischen Behandlungen und der Lehranalyse wissen wollten –aber bisher noch nicht gefragt haben.“
https://www.psychoanalyse-aktuell.de/artikel-/detail?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=182&cHash=8e589d769713a49cfbeb58f3e10875fd
Lieber Herr Ewald,
die Kassen zahlen phasenweise auch die vierstündige Psychoanalyse („Analytische Psychotherapie“ genannt).
Viele Grüße, Dunja Voos
Wichtig zu erwähnen wäre, dass die 3-stündige psychoanalyt. Therapie als Kassenleistung anerkannt ist, die 4-stündige aber nicht. Heißt, die 4. Therapiestunde ist aus eigener Tasche zu bezahlen.