„Ich liebe Dich“ – warum gehen Gefühle kaputt, wenn wir sie aussprechen?
Ich las einmal ein englisches Stück, das ging ungefähr so: Sie spürte Liebe in ihrem Bauch. Das Gefühl stieg in ihrem Hals auf und legte sich auf ihre Zunge. Sie sprach das Wort „Liebe“ aus. Und es fiel auf den Boden und zerbrach wie Glas in tausend Scherben. | Warum haben wir so oft den Eindruck, dass unser Gefühl stirbt, wenn wir es aussprechen? Vielleicht, weil die Worte unserem Gefühl nicht immer gerecht werden können. Unsere Gefühle sind oft so unaussprechlich, dass wir spüren: Das Wort kann nicht annähernd ausdrücken, was wir wirklich fühlen. Vielleicht denken wir, der andere will von uns hören, was wir fühlen – so wie Erwachsene zu einem Kind manchmal sagen: „Was sagt man da?“, um das Wort „Danke“ zu hören. Doch dadurch wird etwas Wertvolles zerstört: Das Gefühl geht kaputt.
Das Unaussprechliche müssen wir nicht aussprechen. Der Vater sieht das Danke im Auge des Kindes. Der andere versteht durch unseren Blick, dass wir ihm verziehen haben. Unser Gefühl repariert sich von selbst. Und wird wieder zu dieser unaussprechlichen – Liebe.
Doch natürlich kann das Aussprechen der Gefühle oft sehr befriedigend sein und sie vertiefen. Manchmal merkt man beim Aussprechen, ob das, was man fühlte und dachte, auch wirklich wahr ist. Über Gefühle zu sprechen, ist meistens sehr wirkungsvoll. Manchmal muss man abwägen, ob man darüber spricht oder sie lieber im Schweigen wach hält und im Stillen in sich bewegt.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 2.9.2016
Aktualisiert am 16.6.2023