Zahnarztphobie durch frühe Traumata
Wenn du unter Zahnarztphobie leidest, hast du vielleicht schon nach Zahnärzten gesucht, die sich auf Angststörungen spezialisiert haben. Vielleicht wünschst du dir auch nur einen Zahnarzt, der deine Ängste versteht und deine Behandlungswünsche respektiert und darauf eingeht. Viele der auf Angst spezialisierten Zahnärzte arbeiten mit Hypnose oder Lachgas – doch auch das macht dir vielleicht Angst. Hypnose beutet Nähe zu einem anderen Menschen, doch du erlebst das nahe Zuzweitsein vielleicht generell als Bedrohung. Du möchtest mitbestimmen können, was passiert.
Außerdem befürchtest du vielleicht, dein Körper könnte versagen – du könntest ohnmächtig werden, so die Vorstellung. Nicht selten sind auch unbewusste sexuelle Phantasien ein Problem bei der Behandlung. Schließlich liegst du dem Zahnarzt ja fast auf dem Schoß. Von diesen Ängsten sind meistens Menschen betroffen, die frühe Gewalterfahrungen gemacht haben oder schon früh medizinische Behandlungen über sich ergehen lassen mussten.
Aus verhaltenstherapeutischer Sicht kann man den Gang zum Zahnarzt üben. Durch häufige Besuche mit langsamer Gewöhnung an den Zahnarztbesuch kann die Angst tatsächlich etwas nachlassen – das Vertraute lindert die Angst. Doch auch das hilft dir vielleicht nicht. Vielleicht verbindest Du Deine Zahnarztangst nicht direkt mit problematischen Vorerfahrungen. Was von Deiner Kindheit übrig ist, sind vielleicht nur ungute Gefühle. Vielleicht fällt es Dir schon schwer, dich jemandem anzuvertrauen und ihm deinen Körper bzw. Mund zu zeigen. Wie schwer muss es dann sein, einem anderen so zu vertrauen, dass er in Deiner Intimsphäre, dem Mund, „arbeiten“ darf.
Hinzu kommt oft eine unglaubliche Scham. Schwer traumatisierte Menschen ernähren sich oft ungesund, weil die ungesunden Nahrungsmittel betäubend wirken. Schokolade und süße Getränke reduzieren den psychischen und körperlichen, fast unaushaltbaren Schmerz. Gesunde Ernährung, Gemüse und Obst sorgen für ein stärkeres Klarheits-Gefühl, jedoch werden dadurch auch Schmerzen spürbarer. Kranke Zähne und Zahnverlust sind oft auch Folge extremen psychischen Stresses. Dann kommt die Scham. Und der Zahnarztbesuch wird undenkbar.
Bewusst oder unbewusst, in den meisten Fällen aber unausgesprochen, kommen bei einem Zahnarztbesuch auch Gedanken an Sexualität hoch. Was dem Patienten helfen würde, wäre ein Gespräch. Zahnärzte sind in der Regel nicht gut vorbereitet auf solche Gespräche. Doch sich damit zu beschäftigen, lohnt sich. Die Patienten sind oft sprachlos, weil es sich um unbewusste Ängste handelt, doch auch für Zahnärzte kann es schwierig sein, sich mit eigenen sexuellen Vorstellungen im Zusammenhang mit dem Zahnarztsein auseinanderzusetzen. Allein wenn sich der Zahnarzt mit solchen Themen auseinandersetzt, spürt der Patient das und kann besser vertrauen. Ansonsten ist das, was bleibt und was spürbar ist, eine unausgesprochene, fast unerträgliche Spannung und Ohnmacht.
Was hilft
Oft hilft nur ein langer Weg, um die Zahnarztphobie zu überwinden. Dazu kann zum Beispiel eine Psychotherapie gehören. Hier lässt sich erfahren, wie sich eine vertrauensvolle Beziehung anfühlt. Ist die Beziehung zum Therapeuten gefestigt, kannst Du die Zahnarztangst vielleicht etwas überwinden, indem Du während des Besuchs an Deinen Therapeuten denkst.
Wenn du unter Zahnarztphobie leidest, dann gehe so lange auf die Suche, bis Du jemanden gefunden hast, bei dem Du sagen kannst: Ja, hier kann ich meinen Mund öffnen. Eine gute Stimmung im Zahnarztteam hilft ebenso wie das Gefühl, dass die Hände des Zahnarztes geschickt und sicher sind. Es ist wichtig, dass Du das Gefühl hast, Du könntest jederzeit „laufen gehen“, ohne dass du schlecht angeschaut wirst. Bei einem verständnisvollen Zahnarzt kannst du um eine Pause bitten oder auch „fliehen“. Er wird dich beim nächsten Besuch wieder freundlich aufnehmen.
Videobilder aus dem eigenen Mund schrecken viele ab. Bitte den Zahnarzt darum, dir diese Bilder nicht zu zeigen, wenn sie dir unangenehm sind. Auch macht Ddr vielleicht die flache Liege-Position zu schaffen. Manche Zahnärzte können sich auf eine etwas sitzendere Position einlassen, andere können hingegen nur arbeiten, wenn der Patient flach liegt. Sprich mit Deinem Zahnarzt darüber, falls möglich.
Selbst, wenn die Zähne in einem sehr schlechten Zustand sind, brauchst Du nichts machen zu lassen, was du nicht willst. Beim ersten Besuch reicht es, den Mund aufzumachen und nachschauen zu lassen. Bevor irgendein weiterer Schritt gegangen wird, kannst du nach Hause gehen und die Sache überdenken (es sei denn, du hast schon Fieber und Anzeichen einer ernsthaften Infektion aufgrund des kranken Zahnes).
Manchmal zwingt uns eine schwere Krankheit nieder – dazu kann auch schwere Karies gehören.
Wenn Du einen Zahnarzt gefunden hast, bei dem Du Dich wohlfühlst, ist alles andere zweitrangig. Ob dieser Zahnarzt eine psychosomatische Grundausbildung hat, ob er Hypnose durchführt oder nicht, ist nicht so wichtig. Wichtig ist der Mensch und seine Handwerkskunst. Und wenn du das Gefühl hast, dass dich der Zahnarzt ohne viele Worte versteht und umsichtig arbeitet, dann hast du für dich die beste Therapie gegen deine Zahnarztphobie gefunden.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
- Zahnschmerzen ohne Grund?
- Hypnose und Trauma – warum das oft nicht zusammen passt
- Emetophobie: Die Angst, sich zu übergeben
Links:
Anne Wolowski, Hans-Joachim Demmel, Reinhard Marxkors:
Psychosomatische Medizin und Psychologie für Zahnmediziner
Schattauer, 2009
Roland Zörner:
Die Psyche, der heimliche Zahnkiller
https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Roland-Z%C3%B6rner+Die-Psyche-der-heimliche-Zahnkiller/id/A01686lX01ZZu
Regina Lessenthin:
Auf den Zahn gefühlt
Institut für psychotherapeutische Information und Beratung
Karl Gerlicher (1982):
Zahn-, Mund- und Kieferporbleme aus der Sicht psychoanalytisch orientierter Familientherapie
Journal of Orofacial Orthopedics/Fortschritte der Kieferorthopädie, DOI 10.1007/BF02164010
Professor Volker Faust:
Zähne und Seelische Störung (PDF)
Psychiatrie heute, Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Gesundheit
Sebastian Euler et al.:
On psychobiology in psychoanalysis:
Salivary cortisol and secretory IgA as psychoanalytic process parameters
Psychosoc Med 2005, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2736497/
Sebastian Euler et al. (2003):
Zur Psychobiologie der analytischen Beziehung:
Komparative Einzelfallstudie zur Untersuchung von Cortisol und Sekretorischem IgA im Saliva als Prozessparameter der 4-stündigen Psychoanalyse
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 11.4.2011
Aktualisiert am 28.01.2025
10 thoughts on “Zahnarztphobie durch frühe Traumata”
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Hallo,
da ich unvorstellbarer Zahnarztphobiker bin werde ich morgen eine Behandlung mit Lachgas versuchen.
Eine Verhaltenstherapie mache ich auch seit einiger Zeit aber mit relativ mäßigen Erfolg und damit ich einer Vollnarkose ausweichen kann werde ich es mit einer Lachgassedierung versuchen.
LG Fabian
Hallo Thomtom, nein, den Abschluss in Psychologie sollen Zahnärzte nicht nachreichen – die Unis sollten bloß besser lehren, wie die Angst vor dem Zahnarzt zustande kommt. Mit bloßem Willen, Training und Konfrontation lässt sich die Zahnarztangst leider oft nicht lösen. Die Seele hat da ihre Grenzen. Patienten, die als Kinder missbraucht und traumatisiert wurden, leiden oft in unvorstellbarem Maße, wenn sie zum Zahnarzt gehen. Der Zahnarzt muss hier kein Psychologe sein, aber er sollte die möglichen Zusammenhänge kennen. Das allein hilft schon vielen Patienten.
So weit ich weiss, kann man Angst, auch vor dem Zahnarzt, besonders gut mit EFT wegklopfen.
Grüße Rosa
Die wirkliche Zahnarztphobie hat meist tatsächlich weniger mit der Person des Zahnarztes oder der Praxisgestaltung zu tun. Da kann die Praxis noch so schön gestaltet sein, der Arzt noch so verständnisvoll, geduldig und mit ausreichend Zeit arbeiten – die Hintergründe sind, wie oben im Artikel beschrieben, häufig ganz andere.
Da Zahnärzte eben Spezialisten auf ihrem Gebiet sind – und das ist auch gut so – ist eine Zahnarztpraxis nicht der geeignet Ort, um solche Ängste zu therapieren.
In der Kooperation mit Zahnärzten setze ich bei solchen Patienten EMDR ein, ein wirksames Mittel, um alte Traumata zu bearbeiten. Das zugrundeliegende Ereignis wird nicht “ weggemacht „, sondern mit Hilfe bilateraler Stimulation ( Augenbewegungen ) neu bewertet.
EMDR wurde ursprünglich in der Traumatherapie eingesetzt. Hier ist es besonders wichtig, dass der Patient weiss, dass er „Herr der Lage“ ist. Eine Angst vor Kontrollverlust gibt es somit nicht.
Ich litt sehr lange an der Phobie und traute keinem Zahnarzt über den Weg, entstand durch ein traumatisches Erlebnis von meiner Mutter beim Zahnarzt was sie mir im Kindesalter schilderte und ich übertrug das dann alles auf mich. Das was mir geholfen hat ist eine Hypnose cd von Dieter Eisfeld, denn sie ist sehr angenehm zu hören und funktioniert so unterbewusst, ich kann gut dabei entspannen. Hingegen die Hypnose von Alexander Cain ist mehr aufzwingend und stört mich einfach von dem Aufbau und der Stimme, da kann ich garnicht abschalten. Wollte erst einen günstigeren und gesünderen Weg ausprobieren als sofort mit Therapien und Vollnarkosen zu starten. Seit ich die cd von Eisfeld regelmäßig vor einem Terminhöre bin ich ganz locker und der letzte Termin hat mich überrascht, es wurde gebohrt und und und… ich blieb ruhig.
Eine gute Lösung gegen Zahnarztangst kann die Behandlung mit Lachgas sein. Eine solche Behandlung bewirkt, dass man sich schwer und entspannt fühlt. Man verliert den Zeitgefühl und man empfindet die Behandlung deutlich kürzer. Mehr dazu kann man hier nachlesen: http://www.gesundezaehne24.de/lachgas-hilft-zahnarzt-angst/comment-page-1/#comment-697
@ Rainer – Ich litt mit zunehmendem Alter an Zahnarzt-Angst und habe mich von meinem alten Zahnarzt getrennt, um mir einen für mich passenden Zahnarzt zu suchen. Daher kann ich auch nur bestätigen wie wichtig dieses Verhältnis ist bzw. was ein geschulter Zahnarzt ausmachen kann
Die Angst vor dem Zahnarzt kann schneller gelöst werden als man denkt, würden die Zahnärzte sich ein bisschen mehr mit der Psyche ihrer Patienten beschäftigen.
Hallo an Alle,
ich glaube nicht, dass es wirklich damit zu tun hat, ob der Zahnarzt psychologisches Wissen hat. Es gibt leider Zahnärzte (Ärzte allgemein), die ihren Job wirklich mit Leib und Seele machen ( und das sind die, welche auf den Patienten eingehen) und eben die , die es des Geldes wegen machen und sich leider äusserst oberflächlich und unpersönlich dem Patienten gegenüber verhalten. Man soll wirklich als Angstpatient darauf achten, ob die Chemie zwischen Patient und Arzt stimmt, denn wenn nicht,, AUFSTEHEN und GEHEN:)))
Ich selbst hatte unter Zahnarztangst gelitten, bis ich an einen Zahnarzt geraten bin der sich wirklich sehr sehr viel Mühe gegeben hatte. Er ist geschult in Hypnose und hat sich auf Angstpatienten spezialisiert. Zwar meine Angst nun nicht übermäßig dramatisch wie bei vielen anderen doch er hatte es geschafft, dass es nun so ist, dass ich das letzte mal kurz auf dem Stuhl eingeschlafen bin. Kaum zu glauben. Ich würde mich freuen, wenn Zahnärzte sich hier mehr Zeit, Mühe und Einfühlungsvermögen aneignen würden.