Impfen oder nicht? Das Gefühl entscheidet mit.

Dieser Beitrag entstand 2013, also noch vor der Corona-Pandemie. Eltern sehen heute die Kinder nicht mehr an Diphtherie oder Polio sterben. Wenn Eltern ihre kleinen Babys nicht impfen lassen wollen, reagieren nicht wenige Kinderärzte mit Unverständnis. Doch die Frage ist: Warum wollen die Eltern – oder sehr oft sind es ja die Mütter – ihre Babys nicht impfen lassen? Wird ein Baby geboren, ist es das Wertvollste, das Mutter und Vater in den Händen halten. Dieses kleine Wesen gilt es um jeden Preis zu beschützen. Die Rollen zu Beginn sind klar verteilt: Die Mutter nährt, der Vater – der „Ernährer“ – beschützt Mutter und Kind. Alles, was beschützen will, ist gut. Wenn aber ein Kinderarzt daherkommt und das Baby spritzen will, ist der Arzt psychologisch gesehen ein Eindringling. Auch das Impfserum selbst wird als verfolgend erlebt. Sobald es im Körper ist, ist der Körper davon „befallen“.

Impfung als Schutz oder als Gefahr?

Die Impfung wird dann als Schutz gesehen, wenn die Erreger als Gefahr erkannt werden. Für mich persönlich waren das die Klassiker MaMuRö (Masern, eingeschränkt Mumps, Röteln), Hepatitis sowie Tetanus, Diphtherie und Polio. Ich selbst habe Vertrauen zu diesen „Klassikern“ der Impfung. Zum einen besteht jahrzehntelange Erfahrung damit, zum anderen hatte ich als Ärztin noch erschreckende Bilder aus den Kinderheilkunde-Vorlesungen in der Uni im Kopf.

Nachdem die Klassiker-Impfungen gemacht waren, wurden jedoch immer wieder neue Impfungen an uns herangetragen. Und ich hatte das Gefühl: Die Impfkampagnen werden selbst zum Eindringling. Meningokokken, Pneumokokken, Windpocken, Rotaviren. „Ob man sich tot-impfen kann?“, fragte ich mich. (Aktualisiert und Covid19 einbezogen: „Impfgegner“ – das Unbewusste wird oft übersehen.)

Die Rolle des Vaters

Bei diesen Entscheidungen spielt der Vater eine große Rolle. Meistens sind es die Mütter, die sich um die Impfung Gedanken machen und mit dem Kinderarzt kommunizieren. Die Mutter kann das leichter, wenn der Vater hinter ihren Entscheidungen steht. Haben Vater und Mutter gegensätzliche Meinungen zum Impfen, verstärkt das die Konflikte mit diesem Thema. Viele Eltern plagen sich hier mit langen Diskussionen. Aber eines ist den meisten Eltern gemeinsam: Sie machen sich unglaublich viele Gedanken.

Die Rolle des Kinderarztes

Der Kinderarzt hat aufgrund seines Berufsweges die Gefahren der „Kinderkrankheiten“ hautnah mitbekommen. Auch er will das Kind schützen. Und er kann oft nicht verstehen, dass Mütter da – aus ihrer Sicht – so „stur“ sind. Oft ergeben sich Kämpfe zwischen Mutter und Kinderarzt. Keiner versteht den anderen.

Doch auch hier wieder hilft die Frage nach den Phantasien, die dahinterstecken. Viele Mütter möchten einfach nicht, dass ihr so sehr kleines Baby geimpft wird. Wenn sie die ersten Erfahrungen mit dem Kind gemacht haben, wenn sie Vertrauen gefasst haben in seine Kraft, dann lassen sie es vielleicht impfen, wenn es ein Jahr alt ist.

Die Rolle der Pharmaindustrie

Die Mütter heute sind aufgeklärt. Sie wissen, dass auch die „Ständige Impfkommission (STIKO)“ des Robert-Koch-Instituts von der Pharma-Industrie beeinflusst wird. Sie ahnen auch, dass nicht alle Studienergebnisse veröffentlicht werden. Und hier entsteht bei den Eltern ein neues Bild: Ihr Kind soll der Pharma-Industrie und der Wirtschaft dienen. Das Gefühl, die Impfung aufgedrängt zu bekommen, ist viel größer als die Angst vor den Erregern. Die Eltern fragen sich: Was ist wirklich medizinisch sinnvoll und wo beginnen die wirtschaftlichen Interessen?

Die Eltern wollen aufgefangen werden

Die Eltern, oft insbesondere die Mutter, wollen mit ihren Fragen aufgefangen werden.

Wenn der Kinderarzt der Mutter Raum für ihre Fragen lässt und mit ihr die Zweifel bespricht, fühlt sich die Mutter besser aufgehoben. Sie ist dann freier, eine Entscheidung zu treffen.

Diese Entscheidung ist und bleibt schwierig – so, wie es immer schwierig ist, in Gesundheitsfragen zu entscheiden. Gesundheit und Krankheit lassen sich eben nicht 100%ig vorausplanen. Wenn der Kinderarzt die Ängste und Zweifel der Mutter respektiert und auch offen für ihre Phantasien ist, dann gibt es Zeit und Raum, um alle Fragen zu besprechen. Immer wieder. Denn die Arzt-Patienten-Beziehung ist kein Punkt, sondern eine stetige Entwicklung, wenn der Arzt dafür offen ist.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 9.6.2013
Aktualisiert am 1.12.2021

Dieser Beitrag gewann bei der Blogparade „Impfen oder nicht Impfen?“ von Trainyabrain-blog.com

5 thoughts on “Impfen oder nicht? Das Gefühl entscheidet mit.

  1. Ein interessanter Ansatz, das Thema „impfen“ mal aus psychoanalytischer Sicht zu betrachten. Haben wir als Eltern noch gar nicht versucht, aber dazu fehlt uns auch das notwendige psychologische Hintergrundwissen. Wir sind schließlich „nur“ Fachkrankenpfleger, Heilpraktiker und Hebamme. Beides hat jedoch ausgereicht, um sich in anderer Art und Weise mit dem Thema zu befassen. Das tun wir nun seit rund 15 Jahren. In dieser Zeit haben wir mit Menschen aus den unterschiedlichsten Berufen, mit den unterschiedlichsten Ansichten und den unterschiedlichsten privaten Hintergründen Diskussionen geführt. Und weiter haben wir Bücher gelesen, sind eingetaucht in die Geschichte des Impfens, haben uns mit Jenner, Pasteur, Koch, Ehrlich, Bechamp, Platen und vielen anderen beschäftigt. Wir haben Fragen gestellt, viele Fragen, unangenehme Fragen. An das PEI, an das RKI, die EMEA, an Haus- und Kinderärzte. Und was ist passiert? Was musste unweigerlich passieren? Das allgemein gültige Bild des Impfens, in dem gesundheitliche Vorsorge betrieben wird zum Wohle aller, in dem Krankheiten ausgerottet werden (aber nur, wenn auch ja alle mitmachen) ist zusammengefallen wie das berühmte Kartenhaus beim leisesten Luftzug. Nichts, aber auch gar nichts ist übrig geblieben von der heilen Welt des Impfens. Es ist die hohe Kunst der Propaganda, die dieses Bild aufrechterhält, das funktioniert heutzutage natürlich noch viel besser als zu Zeiten der oben genannten. Ganze Medienarsenale werden dafür mittlerweile in Beschlag genommen, um uns Eltern als „asoziale Schwarzfahrer“ (O-Ton Tagesschau, ARD) dastehen zu lassen und den „öffentlichen Druck“ auf uns zu forcieren (ebenfalls O-Ton Tagesschau, ARD). Und der Mainstream folgt wie das brave Hündchen. Wir als Eltern dreier ungeimpfter Kinder, der wir eine Entscheidung getroffen haben, die auf einem festen Fundament fusst, nämlich dem des Wissens um ignorante Behörden, um nichtwissende Politiker und um ein geldgieriges Monster namens pharmazeutischer Industrie, werden der Hetze durch andere ausgesetzt, wie sie es die Inquisition der katholischen Kirche im Mittelalter nicht besser vermocht hätte.
    Das ist unsere Meinung zum Thema „Impfen“. Wir sind uns bewusst, diese Maschinerie nicht aufhalten zu können. Was uns jedoch bedrückt und traurig macht, ist die Tatsache, in einem Land zu leben, in dem Demokratie und Meinungsvielfalt seit seinem Bestehen eine Erfolgsgeschichte dargestellt haben, welches jedoch zunehmend dem Diktat von Konzernen und Industrien ausgesetzt wird und die wenigsten merken das.

    Alles Gute für Sie und herzliche Grüße von Andreas Andersch

  2. Stefanie sagt:

    Danke für diesen einfühlsamen Artikel! Genau darum geht es, und engstirnigen Predigen von Impfkritiker wie -befürworterseite macht das Dilemma für die Eltern nur schlimmer, führt aber nicht zu guten gewissens getroffenen Entscheidungen.

  3. Jay sagt:

    Das Thema Verschwörungen, welches ja nicht nur die Impfthematik betrifft, ist sein sehr komplexes und bizarres Gebiet.
    Allgemein erkenne ich, dass in den letzten Jahren, vor allem in den sozialen Netzwerken, ein regelrechter Boom zu verzeichnen ist, was irrationale Weltanschauungen angeht.
    Die Entscheidung sein Kind nicht impfen zu lassen, beruht in den allermeisten Fällen nicht auf objektiven Fakten, sondern eher auf kulturpessimistischen Annahmen über die moderne Medizin. Oft steht ein geschlossenes, verschwörerisches Weltbild dahinter.
    Seine Kinder nicht impfen zu lassen fühlt (!) sich dann für die Eltern richtig an.
    Es geht um das „nicht-mit-tun-wollen“, vermeintlich alternative Lebensweisen und auch um falsche Autarkie, die auf einer gewissen Art von elterlichem Narzissmus beruht und hier auf Kosten der Kinder erkämpft wird.
    Wenn das Kind dann tatsächlich nicht erkrankt, wird dies von den Impfgegnern als Erfolg gefeiert. Dabei ist dies oft der sogenannten „Herdengesundheit“ zu verdanken.
    Ein Kind, das als einziges unter hundert geimpften Kindern, selbst nicht geimpft ist, kommt zwangsläufig mit den entsprechenden Viren nicht in Kontakt, einfach weil die Geimpften Kinder das Virus nicht in die Gruppe tragen.
    Dass durch Impfungen lebensgefährliche Krankheiten wie Polio oder die Pocken in der westlichen Welt so gut wie ausgerottet wurden, kann den betonharten Glaubenssätzen ebenfalls keinen Riss beibrigen.
    Unlängst wurde eine Waldorfschule in Erftstatt wegen eines akuten Masernausbruchs geschlossen. Nur knapp 100 der 396 Schüler waren gegen Masern geimpft.
    Wenn man ein bisschen nachhakt, kommen neben der Impfangst bei den betreffenden oft noch ganz andere irrationale Glaubenssätze zu Tage.
    Man hat Angst vor vermeintlich giftigen Chemtrails am Himmel, vor Flourid in der Zahnpasta, ja sogar vor Strichcodes auf Verpackungen aus dem Supermarkt fürchtet man sich.
    So absurd es klingt: Das sind alles Theorien, die von nicht wenigen, vehement verteidigt werden.
    Die neuen Medien lehren uns, dass es nichts gibt, das nicht abstrus genug wär, als dass es jemand glauben könnte.
    Wir erleben seit den 90ern Jahren einen beispiellosen esoterischen Rollback in die Irrationalität.
    Gerade in den letzten Jahren färbt sich dieses Weltbild bei vielen seiner Verfechter, leider in ein tiefes Braun.
    Ohne genauer in die Tiefe zu gehen: Auch die Impfkritik hat leider ihre Wurzeln in der völkisch-rechtsesoterischen Bewegung des 19ten und 20ten Jahrhunderts, die die moderne Zivilisation als dekadent und „entartet“ ansah und die im Dritten Reich ihren grausamen Höhepunkt fand.
    Ariosophen, Theosophen, Anthroposophen und faschistisch-völkische Weltanschauungen sind leider zueinander extrem kompatibel.
    Das soll nicht heißen, alle heutigen Impfgegner wären Nazis, aber man muss aufpassen, wem man Tür und Tor mit der Kultivierung und Akzeptanz von irrationalen Glaubensmodellen öffnet.
    So fehlerbehaftet die heutige Medizin und das Gesundheitswesen allgemein auch sein mögen, es gibt dennoch genug positive Entwicklungen und richtige Ansätze, die es gegen Irrationalität zu verteidigen lohnt.

  4. Guten Tag Frau Voss,
    Danke für diesen hervorragenden Artikel. Sie beleuchten damit einen Aspekt, den ich als zentral erachte: Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Ich glaube, dass ein großer Teil des Misstrauens gegenüber der „Schulmedizin“ aus einem Defizit in diesem Verhältnis beruht. Fatal hinsichtlich Impfungen ist es, die Ängste etwa von Eltern ins Lächerliche zu ziehen. Ich habe mich mit dem Thema „impfen“ ausführlich beschäftigt und versucht, es von allen Seiten zu beleuchten. Das Ergebnis dieses Erkenntnisprozesses ist ein Artikel, den ich hier gerne verlinke – ich freue mich, wenn Sie mir Ihre Meinung dazu mitteilen.

    http://lukasriepler.blogspot.co.at/2013/12/impfen-ja-oder-nein-ein.html

  5. Liebe Frau Voos,

    also erstmal muss ich mich für den wirklich sehr tollen Beitrag bedanken. Zum Glück haben wir einen Kinderarzt – der auch akzeptiert, wenn man eine Impfung ablehnt. Nicht alle Eltern haben damit Glück. Ihren Blog sollten meiner Ansicht nach viel mehr Eltern lesen – sie sind eine der wenigen Ärzte die noch eine Meinung haben und sich nicht manipulieren lassen. Ich habe mich übrigens in einigen Passagen als Vater wieder erkannt:) Machen sie weiter so:)

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