Bluthochdruck und die Psyche: Psychotherapie, Dehnung und Atemübungen (Yoga) können helfen
Geldsorgen, die Abwesenheit von vertrauten Menschen, das Warten auf Nachrichten und Einsamkeit können uns in enorme Anspannung versetzen. Sitzen wir zu viel, werden unsere Muskeln und unsere kleinsten Gefäße zu wenig durchblutet. Die glatte Muskulatur um die Blutgefäße herum spannt sich an, der Druck in uns steigt. Ursprünglich zählte die Hypertonie (der Bluthochdruck) zu den klassischen psychosomatischen Erkrankungen (Holy Seven). Wenn Menschen, die uns am Herzen liegen, uns Kummer bereiten, können wir ebenfalls unter erhöhtem Blutdruck leiden. Mit Psychotherapie, Feedback und Meditation können wir uns etwas helfen. Auch Bewegung, Dehnung und Atemübungen beeinflussen unseren Blutdruck.
Entspannungsübungen helfen manchmal nur wenig, wenn Sorgen, belastende Konflikte und Einsamkeit nicht aus der Welt geschafft werden können. Bei vielen bahnt sich ein hoher Blutdruck seit der Jugend an. Traumatische Kindheitserlebnisse oder posttraumatische Belastungsstörungen können zu psychischen Spannungszuständen führen, die wie eine psychische Dauerlast wirken. Wir versuchen, uns zu entlasten, indem wir Schmerzlinderndes essen, z.B. Süßigkeiten. Es kommt zur ungesunden Ernährung.
Dass Psychotherapie den Blutdruck (in bestimmten Grenzen) senken kann, haben einige Studien (z.B. Hermann 2002) gezeigt. Man lernt sich selbst besser kennen und wird toleranter gegenüber unangenehmen Regungen. Dass Psychotherapie bei Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) helfen kann, den Blutdruck zu senken, konnten z.B. die Forscher des Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München nachweisen (PTSD psychotherapy improves blood pressure but leaves HPA axis feedback sensitivity stable and unaffected. Psychoneuroendocrinology, Volume 100, February 2019, Pages 254-263, www.sciencedirect.com).
Bereit zu Kampf und Flucht
Viele Menschen mit Bluthochdruck sind engagiert im Beruf, haben gerne alles unter Kontrolle, mögen es ordentlich und sind nahezu zwanghaft. Sie fühlen sich schnell schuldig und sind in ständiger Kampfbereitschaft, ohne dass ein effektiver Kampf stattfindet. Es ist, als wäre das sympathische Nervensystem, das uns zu Flucht und Kampf verhilft, die ganze Zeit aktiviert: Weite Pupillen, ein erhitzter Kopf, schlechte Verdauung sowie angespannte Muskeln gehören dazu.
Schon der Psychosomatiker Franz Alexander (1891-1964) ging davon aus, dass sich die feine Muskulatur, die die Arterien umgibt, ebenfalls anspannt. Die Gefäße werden enger, der Druck erhöht sich. Das Herz muss dagegen anpumpen.
Studien zeigen, dass Muskeldehnung einen Einfluss auf den Blutdruck haben kann. Nicholas Kruse und Barry Scheuermann, University of Iowa, haben hierzu ein interessantes Review veröffentlicht – Dehnübungen könnten eine therapeutische Möglichkeit sein, um die Gefäßfunktion zu verbessern:
„… stretching acutely or long term may serve as a novel and alternative low intensity therapeutic intervention capable of improving several parameters of vascular function“ (https://doi.org/10.1007/s40279-017-0768-1).
Zurück in die Höhle
Das parasympathische Nervensystem sorgt als Gegenspieler des sympathischen Nervensystems für Entspannung. Es fördert die Verdauung, es weitet die Gefäße und macht müde. Bei schwer lösbaren oder akuten Konflikten können die beiden Nervensysteme abwechselnd aktiv werden, was wir daran merken, dass wir abwechselnd rot und blass werden, dass sich unsere Pulsfrequenz rasch verändert, dass wir schwitzen, eine Gänsehaut oder auch Harn- und Stuhldrang bekommen.
Wer ständig viel leisten muss, ohne dafür ausreichend belohnt zu werden, der ist für den hohen Blutdruck nahezu vorbestimmt. Oft spielt auch Konkurrenzdenken eine Rolle – nicht selten sind Neid, Eifersucht, Mangelerfahrungen und Existenzängste mit dabei.
Geld und Gene
Einerseits ist die Hypertonie genetisch bedingt. Andererseits sind Bildung und wirtschaftliche Verhältnisse wichtige Faktoren. Wer ständig Geldsorgen hat, wird selten wirklich entspannt sein. So sterben in den USA besonders häufig schwarze Männer mit niedrigem Bildungsstand an den Folgen des Bluthochdrucks. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Das männliche Hormon Testosteron ist blutdrucksteigernd, das weibliche Östrogen wirkt auf die Gefäße schützend. Dies erklärt unter anderem die höhere Lebenserwartung der Frauen.
Unentschlossenheit
Auch die Schwierigkeit, sich zwischen verschiedenen Lebenssituationen zu entscheiden, kann zu Bluthochdruck führen. Gegenteilige Gefühle kämpfen miteinander, der Ausweg ist vielleicht für eine lange Zeit versperrt. Sobald jedoch eine Entscheidung gefallen ist und sich die Dinge in eine eindeutige Richtung entwickeln, kann ein Bluthochdruck zurückgehen.
So verschieden die Ursachen des Hochdrucks und die Menschen sind, so verschieden sind auch die Therapieansätze. Medikamente gehören oft, aber nicht immer dazu. Viel Wissen über Körper und Seele sowie die Motivation zu gesunder Lebensführung können zu einem gesunden Blutdruck beitragen. Durch das Messen des eigenen Blutdrucks, können wir uns selbst Feedback geben. Wir können sehen, wie durch Ruhe und bewusstes Atmen der Blutdruck innerhalb weniger Augenblicke wieder sinken kann.
Ausatmung gegen Widerstand wie z.B. bei der Yoga-Atemübung „Nadi Shodana“ (Nasenwechselatmung) kann helfen, den Blutdruck zu senken (Telles et al., 2014). Auch die Übung „Ujjayi“ ist so ein Ausatmen gegen Widerstand. Atemübungen (Pranayama) und das Einüben von Körperhaltungen (Asanas) verbessert das Gleichgewicht unseres vegetativen Nervensystems. Allerdings stärkt sich das vegetative Nervensystem nur dann merklich und dauerhaft, wenn Yoga über lange Zeit und so oft wie möglich (am besten fast täglich) durchgeführt wird.
Mitgefühl mit uns selbst entlastet unser vegetatives Nervensystem ebenfalls. Sehr hilfreich finde ich die Videos von Eckhart Tolle – abends im Bett gehört, haben sie eine beruhigende Wirkung.
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Links:
Nicholas T. Kruse und Barry W. Scheuermann (2017):
Cardiovascular Responses to Skeletal Muscle Stretching: “Stretching” the Truth or a New Exercise Paradigm for Cardiovascular Medicine?
Sports Medicine 47: 2507-2520 (2017)
https://doi.org/10.1007/s40279-017-0768-1
https://link.springer.com/article/10.1007/s40279-017-0768-1
Nobuhiro Nakamura et al. (2022):
Muscle stretching induces the mechanoreflex response in human arterial blood pressure
Journal of applied physiology, 19.12.2022
https://doi.org/10.1152/japplphysiol.00418.2022
https://journals.physiology.org/doi/abs/10.1152/japplphysiol.00418.2022
Herrmann JM (2002):
Essential hypertension and stress. When do yoga, psychotherapy and autogenic training help?
MMW Fortschritte der Medizin, 1. Mai 2022, 144(19):38-41
https://europepmc.org/article/med/12116551
Dieser Beitrag erschien erstmals am 2.3.2012
Aktualisiert am 19.10.2024
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4 thoughts on “Bluthochdruck und die Psyche: Psychotherapie, Dehnung und Atemübungen (Yoga) können helfen”
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Liebe GabiMichel,
nur nicht den Mut verlieren – manchmal muss man eben länger nach Lösungen suchen. Es gibt Psychoanalyse, Yoga, Chi-Gong, alles Mögliche. Wenn man hier den richtigen Ansprechpartner findet und es (fast) täglich anwendet, lässt sich viel errreichen. Das dauert jedoch, weil häufig auch die Lebensumstände geändert werden müssen, die so viel Angst machen. Wichtig ist es,nicht den Mut zu verlieren, nach hilfreichen Menschen zu suchen und auf sich selbst zu hören.
Viele Grüße
Dunja Voos
Ich bin zur Zeit in einer psychiatrischen Klinik , weil mein Blutdruck durch eine Angststörung ausgeufert ist.
Es ist ein Teufelskreis aus dem ich nicht rauskomme ……Medikamente nehme ich. …….helfen wenig.
Ich bin nur noch traurig.
Hallo. Ich finde Ihren Blog einfach super. Es gibt leider viel zu viel Ärzte, welche sofort den Rezeptblock zücken und Ihre Patienten mit pharmazeutischen Mitteln teilweise vergiften, ohne alle Faktoren, welche Auslöser sein könnten, überhaupt in Betracht zu ziehen.
Super, weiter so.
Ich habe noch nie einen Arzt gefunden, der auch nur ansatzweise die psychosomatische Komponente meines hohen Blutdrucks berücksichtigt hätte. Immer nur kurz messen, dann Rezept und Pillen – fertig. Kein Eingehen auf Lebenssituation, Psyche oder Ernährungsgewohnheiten.