Brauchen Kindergartenkinder Sprachtherapie?

Am Niederrhein sagt man „Tich“ und „Fich“. Das gehört sozusagen zur Kultur. Doch tatsächlich wird Sprachtherapie gelegentlich genau deswegen verordnet. Das ist fast so, als wollte man einem bayerischen Kind das rollende „R“ abgewöhnen. Von „Schitismus“ sprechen Sprachtherapeuten, wenn das „SCH“ nicht richtig ausgesprochen wird. Ein anderer, häufiger Grund für die Verordnung von Sprachtherapie ist die „Dyslalie“. Dabei ersetzen die Kinder die korrekten Buchstabenlaute durch andere und sagen zum Beispiel „Rohnragen“ statt „Wohnwagen“. Sind mehrere Laute betroffen, spricht man von einer „Multiplen Dyslalie“. Hört sich an wie eine Behinderung, denn „Dys-“ ist die griechische Vorsilbe für „gestört, falsch“ und „-lalie“ entstammt dem Griechischen „lalein“ = „reden“. Klingt, als sei das Kind betrunken. Dabei ist die sogenannte „Sprachentwicklungsstörung“ oft nur eine verlangsamte normale Entwicklung. (Text & Bild: © Dunja Voos)

Jedes Kind hat sein eigenes Tempo

Glücklicherweise hat es sich beim Laufenlernen schon herumgesprochen: Die Kinder sind in ihrem Tempo äußerst unterschiedlich. Während das eine schon mit 10 Monaten erste freie Schritte unternimmt, ist das andere erst mit 18 Monaten oder später bereit, frei loszulaufen. Nicht zuletzt die Zürcher Längsschnittstudie des Schweizer Kinderarztes Remo Largo hat zu dieser Aufklärung beigetragen. Die meisten Eltern wissen von diesen Unterschieden und warten gelassen ab.

Wenn …, dann …

Beim Thema „Sprache“ ist das Wissen über das Entwicklungstempo weniger verbreitet. Die Eltern werden zudem nicht selten von den Erzieherinnen verunsichert: „Wenn Sie jetzt nichts gegen die Sprachstörung unternehmen, dann wird Ihr Kind ausgegrenzt.“ Doch stimmt das? Kinder, die ausgegrenzt werden, haben oft nicht nur ein Sprachproblem, sondern viele weitere Probleme, die zu ihrer Ausgrenzung führen. Es ist wichtig, den eigenen Beobachtungen zu trauen und sie mit dem Bild abzugleichen, das die Erzieherin zeichnet.

Kinder sind freundlich

Statt Ausgrenzung erleben die betroffenen Kinder doch häufig etwas anderes: Wenn ein Kind vor anderen Kindergartenkindern undeutlich spricht, fordern es die anderen Kinder einfach auf, nochmals zu sagen, was es gesagt hat. Der Gedanke „Kinder sind grausam“ steht allzu oft im Vordergrund – dabei sind Kinder doch mindestens ebenso hilfsbereit bei Kindern, die etwas nicht können. Kinder werden dann gemein, wenn es ihnen selbst nicht gut geht, vor allem, wenn sie zu wenige liebevolle Beziehungen haben.

Droht die Lese-Rechtschreibschwäche?

„Wenn Sie jetzt keine Sprachtherapie beginnen, bekommt das Kind später eine Lese-Rechtschreibschwäche.“ Es hat sich gezeigt, dass relativ viele Kinder mit einer Lese-Rechtschreibschwäche im Vorschulalter eine Sprachentwicklungsverzögerung aufwiesen. Es wird jedoch noch daran geforscht, ob und in welchem Ausmaß Sprachtherapie im Vorschulalter einer Lese-Rechtschreibschwäche vorbeugen kann.

Wer verordneter Sprachförderung fernbleibt, zahlt Strafe

Auf die Spitze getrieben wird das Angstgeschäft mit der Sprachuntersuchung im Kindergarten. Werden Auffälligkeiten festgestellt, sind die Eltern verpflichtet, ihr Kind zu einer Sprachförderung zu schicken. Ansonsten droht ihnen zumindest ein Bußgeld. Spiegel-Autor Guido Kleinhubbert schreibt hier richtig:

„Eltern in Nordrhein-Westfalen, die sich gegen die Pflichtförderung ihrer Kinder wehren wollten, wurde wegen „Gefährdung des Kindeswohls“ auch schon mal mit dem Jugendamt gedroht.“ (Spiegel Nr. 34, 22.8.2011, S. 39)

Therapie = gut?

Viele Menschen glauben, Therapie sei immer gut und könne nicht schaden. Doch die Düsseldorfer Kinderärztin Dr. Sylvia Schuster sagt in einer Pressemitteilung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte vom 14.5.2009:

„Sowohl voreilige als auch zu frühe und zu lange Sprachtherapie bringt dem Kind überhaupt nichts. Überflüssige Therapien können dem Kind sogar schaden.“

Was früher niedlich war, ist heute eine Störung

Kinder lieben Märchen und Geschichten. „Dornhöschen“ und „Der Nusskacker“ sind besonders beliebt. Doch wo man früher nur schmunzelte, ist heute gleich ein besorgter Blick dabei: „Warum spricht mein Kind das „R“ noch nicht klar aus? Warum hat es immer noch Schwierigkeiten mit aufeinanderfolgenden Konsonanten?“ Ähnlich ist es bei den „Verhörern“: Manche Kinder fragen sich, warum „Touristen“ böse sein sollen, weil sie mit dem gehörten „Terroristen“ noch nichts anfangen können. Kinder hören das, was sie schon kennen. Wir wissen selbst: Wenn wir stark mit einem Thema beschäftigt sind, verhören wir uns gerne in die Richtung unseres Kontextes. Es ist normal, dass jeder bis zu einem gewissen Grad das hört, was er kennt. Daraus gleich eine „auditive Wahrnehmungsstörung“ zu machen, scheint eine Marotte unserer Zeit zu sein.

Multiple Dyslalie und die normale Entwicklung

Wenn man Kinder über längere Zeit beobachtet, wird man feststellen, dass die „Sprachfehler“ sich ähneln, denn die Sprachentwicklung verläuft über viele Stufen. „S“ und „SCH“ bleiben oft bis zur Schule ein „Problem“. Da heißt die Comicfigur „Snoopy“ lange „Noopy“, bevor sie richtig ausgesprochen wird. Die meisten Kinder fahren erst mal „Täcker“, bevor sie irgendwann „Träcker“ sagen können. Ob sie eine „Tasche“ oder „Tasse“ wollen, bleibt oftmals unklar und manchmal finden sie Dinge „dut“ statt „gut“. Das vorne gesprochene „D“ entspricht dem weichen, hinten gesprochenen „G“, das vordere harte „T“ entspricht dem hinteren harten „K“.
Die Buchstaben klingen ähnlich und werden leicht verwechselt. Besonders aufeinanderfolgende Konsonanten machen Probleme: das „Nie“ (Knie) ebenso wie die „Schecke“ (Schnecke) oder die „Pinzessin“ (Prinzessin). Im Laufe der Zeit wird man feststellen, wie sich alle diese „Fehler“ – einer nach dem anderen – geben. Die „Fehler“ waren eine Stufe auf der Entwicklung von den ersten Lauten bis zur echten Sprache.

Nicht nur auf den Mund schauen

Manchmal stellen Eltern fest, dass ihr Kind bei der Oma auf einmal deutlich spricht. Getrennte Elternpaare berichten manchmal davon, dass sich die Sprache des Kindes nach dem Besuch bei dem anderen Elternteil verbessert oder verschlechtert hat. Es ist zu kurz gedacht, sich bei einer sogenannten „verlangsamten“ Sprachentwicklung allein auf die Sprachtherapie zu konzentrieren. Vielleicht wäre eine Psychotherapie viel angebrachter.

Emotionen beeinflussen die Entwicklung

Ähnlich wie bei ADHS wird den „Genen“ ein Großteil der „Schuld“ an der „Störung“ gegeben. Doch wer genauer hinsieht, stellt fest, dass es dem Kind in vielerlei Hinsicht nicht gut geht. Wenn Eltern Schwierigkeiten haben, miteinander zu sprechen, könnte es doch sein, dass auch das Kind ein „Kommunikationsproblem“ entwickelt. Der Kinderpsychoanalytiker Frank Dammasch und seine Kollegen forschen daran, wie sehr Emotionen das Lernen beeinflussen. Gerade die „Triangulierung“, also die Beziehung zwischen Vater, Mutter und Kind, spielt beim Lernen eine große Rolle. Interessant wären Forschungsarbeiten, die sich mit dem Thema „Triangulierung und Spracherwerb“ auseinandersetzen.

„Die Sprachtherapie bringt überhaupt nichts.“

Viele Mütter haben mir erzählt, dass die Sprachtherapie bei ihren Kindern nichts gebracht hat. Möglicherweise verhält es sich beim Thema „Sprache“ ähnlich wie bei der Motorik. Achtete man früher auf reine Krankengymnastik, so gibt es heute ganzheitlichere Ansätze:

„Aufgrund der neuen Erkenntnisse im Hinblick auf die motorische Steuerung bei zerebralen Bewegungsstörungen muss bezweifelt werden, dass eine vorwiegend auf Funktionsstörungen (impairment) ausgerichtete Therapie wirklich effektiv sein kann (Horak 1992, Mattiello und Woolacott 1997, Helders et al. 2003). Es spricht vieles dafür, dass eine Förderung und aufgabenorientierte Therapie, evtl. mit psychologischer und pädagogischer Unterstützung von Kind und Familie, die besseren Effekte bringt (Dunst et al. 1989, Schlack 1994, 2000 u. 2003, Helders et al. 2003). (Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädiatrie zur Physiotherapie nach Bobath und Vojta)

Probleme made in Kindergarten

Viele Eltern sind irritiert, weil Erzieherinnen oder Kinderärzte auf eine Sprachtherapie pochen, obwohl sie sich als Eltern selbst nur wenige Sorgen machen. Dann ist es ratsam, andere erfahrene Ärzte oder ältere Erzieherinnen zu fragen, die sich gut mit den Verläufen von Entwicklungsverzögerungen auskennen. Denn ob eine Sprachtherapie verordnet wird oder nicht, hängt immer auch von den Kenntnissen, Ansichten und Erfahrungen des Kinderarztes ab.

Sprachtherapie ist keine „absolute Indikation“

„Absolute Indikation“ bedeutet in der Medizin, dass unbedingt gehandelt werden muss: Der entzündete Blinddarm erfordert eine Operation. Ob jedoch Sprachtherapie notwendig ist oder nicht, ist Ermessenssache.

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. schreibt:
„Bei isolierten phonetischen Störungen (Dyslalien) für die Laute SCH, CH, G, K besteht die Indikation zur Sprachtherapie mit 5 Jahren, bei multiplen Störungen zwischen 4 und 5 Jahren.“

Was passiert in einer Sprachtherapie?

Sprachtherapeuten behandeln jedes Kind entsprechend seiner individuellen „Störung“. Jeder Therapeut geht da anders vor. Allgemein lässt sich jedoch sagen: In der Therapie lernen die Kinder, das eigene Gesagte bewusst zu hören und sich selbst bewusst zu korrigieren. Sie lernen, sich zu verbessern, indem sie zum Beispiel aufeinanderfolgende Konsonanten auseinanderziehen: Aus „Dei (3)“ wird zunächst „De-rei“ und dann die „Drei“. Die Therapeutin macht die Kinder auch auf Bedeutungsunterschiede aufmerksam: So ist der „Keller“ etwas anderes als der „Teller“, obwohl der Unterschied nur aus einem Buchstaben besteht.

Die Kinder trainieren ihre Zungen- und Mundmuskulatur, indem sie zum Beispiel mit einem Strohhalm Wattebäuschchen wegpusten. Sie probieren vor dem Spiegel zusammen mit der Therapeutin verschiedene Grimassen aus und bekommen ein Gefühl dafür, wie sie ihre Zunge im Mund bewegen. Beispielsweise kommt beim kindlichen „S“ die Zunge oft weit nach vorne heraus (insbesondere beim Zahnwechsel), was zu einem Lispeln führt – dies wird jedoch nicht als „Störung“ angesehen.

Manche Sprachtherapeuten sagen, dass eine Sprachtherapie während des Zahnwechsels generell wenig Sinn macht. Immerhin sind es 30% der Kinder, die im Alter von fünf Jahren die Laute „r“, „s“ und „sch“ noch nicht vollständig bilden können (Remo Largo: „Babyjahre“, Verlag Piper). Auch die Laute „K“, „G“, „Zw“ und „CH1“ (wie in „China“) gehören zu den sogenannten „späten Lauten“ (Tigges-Zuzok 2008).

Therapien gestalten Beziehungen

Sprachtherapie beeinflusst immer auch die Mutter-Kind-Beziehung. Sie kann entlastend wirken, wenn sie der Mutter und dem Kind Sicherheit bietet. Den Müttern tut sie gut, weil sie nicht mehr allein mit dem Sprachproblem sind. Die Kinder genießen die „Spielstunden“ mit der Therapeutin, wenn sie gerne in die Therapie gehen. Die Beziehung zur Sprachtherapeutin ist für viele Kinder wertvoll.

Die Sprachtherapie kann sich aber auch störend auf die Mutter-Kind-Beziehung auswirken, wenn etwa die Mutter infolge der Sprachtherapie einen kritischeren Blick auf ihr Kind wirft oder wenn sie ihr Kind zu Übungen motivieren will, obwohl es keine Lust hat. Daraus entstehen nicht selten Kämpfe, die es ohne Sprachtherapie nicht gäbe. Nicht zuletzt ist der Sprachtherapie-Termin eben ein „Termin“ und bedeutet verkürzte Spiel- oder Schlafenszeit.

Wann kann die Sprachtherapie beendet werden?

Sobald ein Kind die korrekte Artikulation der Laute beherrscht, ist keine Sprachtherapie mehr notwendig (Hautvast 2010). Es braucht teilweise sehr viel Zeit, bis der korrekte Laut in die Spontansprache übergeht, aber es wird kommen. Wenn ein Kind einen Laut nach Aufforderung korrekt nachsprechen kann, kann man davon ausgehen, dass auch ohne Therapie der korrekte Laut in die Spontansprache übergehen wird (Goldstein 1996, Rvachew et al. 1999).

„Für Kinder im Kindergartenalter mit einer phonetischen Störung kann geschlussfolgert werden, dass ein Transfer der in der Therapie erlernten Laute auch ohne therapeutische Begleitung stattfindet, sobald der Ziellaut im Benenntest beherrscht wird.“ (Hautvast 2010)

Therapie erfolgreich – Kind gewachsen

Nach eineinhalb Jahren sagt die Sprachtherapeutin: „Wir haben es geschafft – das Kind hat große Fortschritte gemacht, der Rest kommt jetzt von selbst.“ Eineinhalb Jahre, über 60 Stunden Therapie bei einem Kindergartenkind bis zum Schuleintritt. Wer will nun sagen können, ob das „gute Ergebnis“ ein Erfolg der Therapie ist, oder ob sich das Kind ohne Therapie ebenso entwickelt hätte – ganz einfach, weil es älter geworden ist? Es bedarf noch vieler sogenannter kontrollierter Studien, um eindeutig sagen zu können, welches die Effekte der Therapie sind und wie die weitere Entwicklung ohne Therapie ausgesehen hätte.

Auf dem Land: Therapiefreie Zone

Draußen auf dem Land gibt es weitaus weniger Sprachtherapeuten als in der Stadt. Sprechen daher die Kinder auf dem Land mit 7 Jahren schlechter? Oder überhaupt generell besser? So viele Fragen sind noch nicht geklärt. Fest steht, dass von uns Erwachsenen doch eigentlich niemand „bau“ statt „blau“ oder „dei“ statt „drei“ sagt. Wir können alle „Prinzessin“ sagen, obwohl wir selbst mit 5 oder 6 Jahren vielleicht noch das „r“ verschluckten.

Jeder Therapeut sollte die Sinnhaftigkeit seiner Arbeit ehrlich überprüfen

Es ist nicht leicht, den eigenen Beruf in Frage zu stellen und eine gesunde Distanz zu dem zu wahren, was man täglich tut. Doch genau dazu fordern beispielsweise der Neurobiologe Ralph Dawirs und der Kinderpsychiater Gunther Moll in ihrem Buch „Die 10 größten Erziehungsirrtümer“ auf. Sie fragen sich, wie der allgemeine Druck auf die Kinder verringert werden könnte und erklären, dass auch Fachleute sich selbst in Frage stellen müssten. Dazu gehört, dass ein Sprachtherapeut auch einmal sagen kann: „Wir wissen so vieles noch nicht. Die Therapie kann hilfreich sein, aber Ihr Kind entwickelt sich ohne Therapie möglicherweise ebenso gut.“

Die Möglichkeiten der Sprachtherapie werden überschätzt

Die Erwartungen an die Sprachtherapie sind oft riesig. Und was die zumeist jungen Sprachtherapeuten auf ihren Websites schreiben, trägt nicht gerade zur Entspannung bei: Man solle so früh wie möglich und unbedingt mit einer Therapie beginnen, ist dort oft zu lesen. Doch Eltern, deren Kind eine Sprachtherapie macht, werden oft feststellen, dass es vielleicht einen sprunghaften Fortschritt in den ersten Stunden gibt, doch dass danach die Entwicklung „normal langsam“ verläuft.

Bleibt die Frage, ob die Kinder, wenn sie einmal Sprachtherapie verordnet bekommen haben, immer und immer weiter zur Therapie gehen sollen – oder ob nicht wenige „Impulsstunden“ genügen, sofern die Kinder in einer gut sprechenden Umgebung aufwachsen.

Viele Eltern wünschen sich, dass ihnen Druck genommen wird. Gute Gespräche mit wirklich erfahrenen Fachleuten können den Druck enorm mindern. Manchmal dauert die Suche nach den Fachleuten, die ermuntern können, etwas länger. Doch wenn man sie gefunden hat, wächst auch wieder das Vertrauen in das Kind.

Verwandte Artikel in diesem Blog:
Zürcher Längsschnittstudie

Quellen:

James Law, Zoe Garrett, Chad Nye:
The Efficacy of Treatment for Children With Developmental Speech and Language Delay/Disorder
Journal of Speech, Language, and Hearing Research Vol.47 924-943 August 2004
http://jslhr.highwire.org/cgi/content/abstract/47/4/924

„The results indicated that speech and language therapy might be effective for children with phonological or expressive vocabulary difficulties. … No significant differences were found between interventions administered by trained parents and those administered by clinicians. The review identified longer duration (>8 weeks) of therapy as being a potential factor in good clinical outcomes. A number of gaps in the evidence base are identified.“ (Law J, Garrett Z, Nye C 2004)

James Law, Zoe Garrett, Chad Nye:
Speech and language therapy interventions for children with primary speech and language delay or disorder
The Cochrane Library, Editorial Group: Cochrane Developmental, Psychosocial and Learning Problems Group
Published Online: 12 MAY 2010
DOI: 10.1002/14651858.CD004110
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/14651858.CD004110/abstract

Guido Kleinhubbert
Depressive Stimmung
Der Spiegel Nr. 34/22.8.11: S. 38-39
http://www.spiegel.de/spiegel/a-781712.html

Sprachtherapie: Zu früh, zu oft und zu lange schadet nur
Pressemitteilung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Landesverband Nordrhein
Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, 14.5.2009

Frank Dammasch, Dieter Katzenbach, Hans-Geert Metzger, Vera Moser, Jessica Ruth:
Strukturelle Lernstörung und emotionale Erfahrung
Triangulierung als beziehungsdynamische Grundlage schulischer Lern- und Bildungsprozesse
http://web.uni-frankfurt.de/fb04/katzenbach/projekte/triangel/Projektbeschreibung_Triangulierung.pdf

Cornelia Tigges-Zuzok:
Wann soll behandelt werden?
Kinder- und Jugendarzt, 39. Jahrgang 2008, Nr. 1

Umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache – Indikationen zur Verordnung von Sprachtherapie
Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V.

Goldstein BA:
The role of stimulability in the assessment and treatment of Spanish-speaking children.
Journal of Communication Disorders 1996, 29 (4): 299-314
Abstract

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Stimulability, speech perception skills, and the treatment of phonological disorders.
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Melania Botica:
Kindertherapien boomen
Focus-online, 11.11.2008

Waldemar von Suchodoletz:
Zur Bedeutung auditiver Wahrnehmungsstörungen für kinder- und jugendpsychiatrische Störungsbilder
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Volume 37, Number 3/2009: 163-172

Sarah Hautvast, Jana Arthold, Thomas Günther:
Transfer in den Alltag braucht Zeit
Forum Logopädie Heft 1 (24) Januar 2010: Seite 24-29

Helga Kelle:
Ganz normale Kinder: Heterogenität und Standardisierung kindlicher Entwicklung
Juventa-Verlag 2008

Linda P. Fröhlich, Ute Koglin, Franz Petermann:
Zusammenhang zwischen phonologischer Bewusstheit und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern im Vorschulalter
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Volume 38, Number 4/2010: 283-290

Reinhard Dümler:
Lese- und Rechtschreibproblemen vorbeugen

Hartmann, Erich:
Möglichkeiten und Grenzen einer präventiven Intervention zur
phonologischen Bewusstheit von lautsprachgestörten Kindergartenkindern

Fribourg, Sprachimpuls, 2002
Dissertation 2001 (PDF)

Hugh W. Catts (University of Kansas, Lawrence):
The Relationship Between Speech-Language Impairments and Reading Disabilities
Journal of Speech and Hearing Research, October 1993, Vol. 36: 948-958

www.phonologische-bewusstheit.de

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 21.9.2011
Aktualisiert am 19.3.2017

12 thoughts on “Brauchen Kindergartenkinder Sprachtherapie?

  1. Dunja Voos sagt:

    Liebe Janet,

    vielen Dank für Ihren Kommentar.
    Ich glaube ja, die Kinder heute sprechen nicht schlechter, sondern die Erwachsenen sind neurotischer geworden ;-)

    Herzliche Grüße
    Dunja Voos

  2. Janet sagt:

    Ob der Artikel nun der Wahrheit entspricht oder nicht sei nun dahin gestellt. Jedenfalls vertritt er meine Meinung. Ich hatte damals als kleines Kind ebenfalls Probleme damit Wörter richtig auszusprechen und ich habe keine Sprachförderung besucht. Trotz allem bin ich heute in der Lage klar und deutlich zu sprechen. Auch in der Schule hatte ich keine Lese- oder Rechtschreibschwäche. Im Gegenteil: Ich war sogar gut.
    Ich finde es traurig, dass heutzutage alle Kinder einer Norm entsprechen müssen und teilweise gezwungen werden sich schnell zu entwickeln.
    Ich habe mittlerweile auch einen vier Jährigen Sohn der gerne mal Wörter und Buchstaben vertauscht und der Kinderarzt war der Meinung, dass ich ihn in solch einer Therapie anmelden soll. Deshalb bin ich auch auf diesen Artikel gestoßen. Nun werde ich vom Arzt und Familienangehörigen gedrängt dies zu tun weil es helfen soll. Ich weiß zwar nicht wirklich was ich davon halten soll, aber ich werde es zumindest mal versuchen.

    Und zum Thema warum heutzutage so viele Kinder ein Sprachproblem haben:
    Ich kann es nicht mit Gewissheit sagen, aber ich vermute das es an den ganzen Medikamenten und Impfungen liegt, die die Kinder heutzutage schon als Babys verabreicht bekommen. Hier eine Spritze gegen Windpocken und dort eine Tablette für den Knochenaufbau. Damals haben wir einfach Windpocken bekommen und die Sache war erledigt. Diese Medikamente sind nicht auf natürlicher Basis und haben Nebenwirkungen. Und da sie schon in der Zeit verabreicht werden in der sich das Kind am schnellsten entwickelt, könnte es die Entwicklung stören. Wie gesagt, ich weiß es nicht genau, denn ich bin kein Arzt. Aber das ist meine Vermutung.

    LG

  3. Anna Craston sagt:

    Schade, dass Sie wenig fachliche Ahnung mit viel Meinung und Verallgemeinerung mischen.
    Ich arbeite selber seit vielen Jahren als Logopädin und muss Ihnen in einigen Punkten stark widersprechen.

    Zunächst einmal, sind regionale sprachliche Besonderheiten nirgendwo eine Therapieindikation. Das ist aus den Fingern gesaugter Blödsinn. Hier in Hamburg sehe ich auch keinen Grund einem Kind abzutrainieren „Ferd“, „Woarst“ oder „Koarb“ zu sagen. Das hat es ja aus seiner Umgebungssprache richtig übernommen.
    Die paar Kinder am Niederrhein sind mit dem Begriff Schetismus ganz sicher nicht gemeint. Nicht entwicklungsgerecht ist es, wenn ein Kind aber nach dem fünften Lebensjahr noch z.B. „Sreibtis“ sagt.

    In Ihrem Artikel suggerieren Sie, dass die einzige Indikation zum Logopäden zu gehen Aussprachestörungen wären. Das ist schlicht falsch. Bitte informieren Sie sich besser.

    Auch zeichnen Sie ein Bild von Logopäden, die jede falsche Äußerung sofort als pathologisch betrachten. Auch hier liegen Sie zum Glück völlig daneben.
    „Die “Fehler” waren eine Stufe auf der Entwicklung von den ersten Lauten bis zur echten Sprache.“ schreiben Sie ganz richtig. Aber jede dieser Auffälligkeiten, auch physiologische phonologische Prozesse genannt, muss in einem bestimmten Alter überwunden sein.
    Es gibt für alle Bereiche der Sprache (besonders für Ihren offensichtlichen „Lieblingsbereich“, die Aussprache) aktuelle, breit angesetzte Studien, die untersuchen wie viel Prozent der Kinder in welchem Alter noch welche Auffälligkeiten zeigen. Haben zum Beispiel 90-95% der Kinder diesen Prozess in dem entsprechenden Alter bereits überwunden, gelten die, die es nicht haben, als entwicklungsverzögert.
    Viele Kinder bilden aber auch einen oder mehrere Prozesse, die in der physiologischen Entwicklung nicht vorkommen, wie etwa das konsequente Ersetzen von /f/ durch /s/, man spricht hier von pathologischen Prozess.
    Hier muss zwischen einer Verzögerung und einer Störung der Sprache unterschieden werden.
    Sie schreiben,“Beim Thema “Sprache” ist das Wissen über das Entwicklungstempo weniger verbreitet.“. Das mag leider für viele Erzieher zutreffen, da stimme ich Ihnen zu, für die Logopäden sicher nicht.
    Nebenbei gesagt hat die sogenannte „Sprachförderung“ im Kindergarten durch angelernte Erzieher NICHTS mit Logopädie zu tun.

    Ich frage mich, ob Sie sich jemals mit einem Kind mit einer schweren phonologischen Störung (der Begriff „multiple Dyslalie“ wird zwar von Ärzten noch verwendet, ist aber stark veraltet) oder einer starken verbalen Entwicklungsdyspraxie unterhalten haben. Diese Kinder sind nahezu unverständlich.
    Ein fünfjähriges Kind, mit einem Kopf voller toller Ideen, will erzählen, was er am Wochenende gemacht hat und es kommt nur „He me Dade tu Huhall gang wehe da haia bielt“ heraus, das Kind merkt, dass es nicht verstanden wird und zieht sich zurück.
    Fänden Sie es auch hier vertretbar zu warten, dass sich das „verwächst“? Und könnten Sie sich eventuell weitere mögliche Schwierigkeiten in der schulischen Laufbahn, außer der LRS, vorstellen?
    Ich finde es sehr wichtig, weder gesunde Kinder zu pathologisieren, noch generell die verwächst-sich-schon-alles-von-alleine-irgendwann-Devise zu vertreten.

    Sie schreiben: „Sprachtherapeuten schulen die Wahrnehmung und die Mundmotorik.“ und beschreiben basale Übungen. „Doch kann es nicht sein, dass ein betroffenes Kind viel mehr braucht?“ Glauben Sie wirklich, dass das Alles ist, was wir tun? Dies zeigt leider erneut, wie unzureichend Sie sich mit dem Thema beschäftigt haben.

    Sie schreiben zudem: „Viele Mütter haben mir erzählt, dass die Sprachtherapie bei ihren Kindern nichts gebracht hat.“ Ich will natürlich nicht ausschließen, dass es auch wirklich unfähige Kolleginnen gibt, aber ich sehe das Problem hier eher darin, dass Eltern nicht ausreichend beraten und in die Therapie eingebunden wurden. So können die Fortschritte der Kinder dann schlecht beurteilt werden.
    Ich mache die Erfahrung, dass Eltern die Fortschritte ihrer Kinder, auch aufgrund intensiver Elternarbeit in unserer Praxis, meist sehr gut sehen.
    „Doch Eltern, deren Kind eine Sprachtherapie macht, werden oft feststellen, dass es vielleicht einen sprunghaften Fortschritt in den ersten Stunden gibt, doch dass danach die Entwicklung “normal langsam” verläuft.“ Könnte dies vielleicht auch daran liegen, dass zunächst noch fleißig zu Hause geübt wird und später dann nicht mehr???

    Ich stimme Ihnen zu, dass jede Form unnötiger Therapie unterlassen gehört. Bin aber der Meinung, dass die Entscheidung darüber, welches Kind eine Sprachtherapie bedarf, von Fachleuten mit fundiertem Wissen über die kindliche Sprachentwicklung getroffen werden sollte.

  4. Hallo,

    diesen Artikel finde ich sehr gut und ausführlich auf das Thema Sprachtherapie geschrieben. Mich wundert auch seit langem, warum mittlerweile so viele Kinder in die Logopädie müssen. Einen wirklichen Grund oder eine Ursache konnte ich bisher leider nicht finden.

    Vorallem der Ansatz, dass jedes Kind ein Lebewesen ist und nicht in eine Norm gezwungen werden kann finde ich gut, dies wird leider oft vergessen.

    Viele Grüße

    Michael

  5. Dunja Voos sagt:

    Liebe Kathrin,

    herzlichen Dank für Ihren Kommentar!

    Ich bezweifele übrigens, dass Kinderärzte das besser einschätzen können. Vielleicht die älteren, erfahrenen Kinderärzte, die noch in der Ära vor der Sprachtherapie gesehen haben, dass auch ohne Sprachtherapie bis zum 2. Schuljahr alles gut wird – ohne „Spätfolgen“ wie Lese-Rechtschreibschwäche. Doch ich habe viele junge Kinderärzte erlebt, die die Eltern genauso verrückt machen wie die Erzieherinnen. Niemand will etwas „falsch“ machen oder „versäumen“. Dass aber gerade der Druck falsch ist, den sie aufbauen, das sehen sie nicht. Das ist meine Erfahrung. Vielleicht tue ich meinen pädiatrischen Kollegen ja auch Unrecht …

    Viele Grüße
    Dunja Voos

  6. Kathrin sagt:

    Hallo,

    auch in unserem Kindergarten werden Eltern regelmäßig verunsichert. Sind Erzieher stetig auf der Suche nach Entwicklungsverzögerungen. Mir scheint auch ein Mangel an Zeit für das einzelne Kind der Grund zu sein. Schließlich verbringt eine Großzahl der Kinder viele Stunden in der Kita, der Spracherwerb findet im hohen Maße auch hier statt. Darüber hinaus haben auch Erzieher Sprachdefizite oder sprechen Dialekt. Das fällt mir verstärkt auf, da ich aus einem anderen Bundesland komme und das fränkische „R“ wohl niemals so schön rollen werde. Mein Sohn hingegen bringt eine Menge dieser regionalen Kennzeichen mit nach Hause. Zuhause soll viel gesprochen werden, um den Kindern den Spracherwerb zu ermöglichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei einer Gruppengröße von 27 Kindern und 2 Erziehern + 1 Praktikantin ausreichend mit dem einzelnen Kind gesprochen werden kann. Das kann ich am späten Nachmittag und Wochenende nicht ausgleichen. Die Sprachstörungen sind demzufolge zum Teil auch hausgemacht.

    Nichtsdestotrotz schließe ich mich den anderen Kommentaren an. Nur nicht verrückt machen lassen! Niemand kennt das Kind besser als seine Eltern. Wir wissen selber zu genau, welche Entwicklungssprünge Kinder von Zeit zu Zeit hinlegen. Und wozu gibt es Kinderärzte? Sie werden einen Behandlungsbedarf realistischer einschätzen können, denn es geht nicht um ihren eigenen Verdienst. Als Logopäde würde ich nur zu gern jedem Kind eine Sprachstörung bescheinigen. Wovon sollte ich sonst meinen Lebensunterhalt bestreiten? Dafür gibt es einfach zu viele Logopäden, die um die kleine Kundschaft werben.

    Viele Glüße ;),
    Kathrin

  7. Dunja Voos sagt:

    Liebe Tanja,

    vielen Dank für Ihren Kommentar!
    Ich kann Sie gut verstehen. Ich wundere mich immer, dass es nicht viel mehr kritische Stimmen zur Sprachtherapie im Kindergartenalter gibt. Mir kommt es so vor, als sei dies zur Zeit ein Riesengeschäft. Die Kindergärtnerinnen profilieren sich damit, dass sie „Auffälligkeiten“ entdecken. Kinderärzte verunsichern die Mütter, indem sie den Kindern die Bilder von „Prinzessinnen“, „Schlüsseln“ und „Schnecken“ hinhalten. Sagen die Kinder „Pinzessin“, „Schüssel“ und „Schecke“, so bekommen sie eine Sprachtherapie verordnet.
    Mütter fahren im tiefsten Winter zur Sprachtherapie, quälen sich mit dem Auto durch Eis und Schnee. Werden von Sprachtherapeuten verunsichert, da ja angeblich eine Lese-Rechtschreib-Schwäche drohe.

    Ich finde, in unserer Zeit, in der die Diagnostik völlig überdreht ist und Kinder und Mütter dermaßen gestresst sind, sollte die Aufgabe von Ärzten, Erzieherinnen und Therapeuten eher darin bestehen, so viele Kinder wie möglich von unnötiger Sprachtherapie fernzuhalten.
    Herzliche Grüße
    Dunja Voos

  8. Tanja sagt:

    Guten Tag,
    endlich wird das Thema :“Sprach-Therapie im Kinderalter“ auch einmal Kritisch betrachtet!Ich habe einen 5 Jahre alten Sohn.Er hat mit 2 Jahren nicht die berühmten 20 Wörter gesprochen,mit 3 Jahren war er laut der Kinderärztin Sprachentwicklungsverzögert und auch bei einem-wie ich fand-viel zu aufwendigem Hörtest-stellte sich heraus,er hätte angeblich Hörprobleme und wir sollten doch dringend zu einer Fachklinik,unser HNO-Arzt meinte aber,dass unser Sohn keine Hörprobleme hat,im Gegenteil er würde sehr gut hören.Mit 4 Jahren war er bei der U natürlich immer noch Sprachentwicklungsverzögert und nun mit 5 wurde multiple Dyslalie in das gelbe Büchlein geschrieben.Ich finde aber mein Sohn spricht mittlerweile-ohne Therapeuten-und mit meiner Unterstützung schon sehr gut.Ja,er macht noch Fehler,manchmal lispelt er leicht oder spricht spiejen,statt spielen.Mich als Mutter hat das sehr stark belastet das unsere Kinderärztin überhaupt nicht von ihrer Schulmedizin abgewichen ist,uns als Eltern Druck gemacht hat,wir sollten doch dringend zur Logopädie damit unser Sohn nach ihrer Aussage keine Nachteile später hätte.Aber mal den Blickwinkel darauf zu legen,dass die Sprachentwicklung meines Sohn evt. genetisch bedingt ist, darauf kam die Ärztin nie.Von daher-vielen Dank für diesen Bericht!

  9. se la rie sagt:

    Guten Tag und hallo,

    zunächst einmal finde ich, dass ein kritischer Umgang mit vorherrschendem Therapie-Verordnungs-Verhalten (nicht nur) bei Kindern grundsätzlich angebracht ist.
    Dies gilt für alle Heilmittel, die eine Ärztin/ ein Arzt verordnet, sei es Ergotherapie, Physiotherapie, psychologische Therapie oder eben Sprachtherapie bzw. Logopädie.

    Ich selbst bin Logopädin und Mutter.

    WARUM es immer mehr „Therapie bedürftige Störungen und Krankheiten“ gibt, ist ein Grundsatzthema für sich. Unser aller Lebensbedingungen sind mit denen unserer Großeltern nicht zu vergleichen und stellen uns in vielen Lebensbereichen vor neue Probleme.

    Natürlich können Therapieverordnungen Eltern und Kind zusätzlich verunsichern. Allerdings sollte dies hoffentlich kein Grund sein, eine notwendige Therapie nicht zu beginnen.

    Ich denke, die Verunsicherung ist meist bereits im Vorfeld durchaus existent und eine gute (Sprach)Therapie hilft, diese abzubauen und kein manifestes Störungsbewusstsein zu entwickeln, dass eine weitere gesunde Entwicklung zusätzlich belastet.

    Die Eltern werden nicht nur in Übungen einbezogen und informiert. Die Elternberatung und – entlastung ist ein wichtiger Therapieschwerpunkt bei kindlichen Sprachentwicklungsverzögerungen. Diese sind so unterschiedlich wie die Kinder, und ihre Diagnostik und Behandlung erfordert eine sehr viel differenziertere Herangehensweise, als es in diesem Artikel leider dargestellt wird.

    So können z.B. phonologische Störungen sehr hartnäckig und daher sehr therapieintensiv sein und gehen beim besten Willen und Vorbild nicht „einfach von selbst“ vorbei.
    Auch die Ursachen sind manchmal selbst für alleraufmerksamste Eltern nicht ersichtlich und entziehen sich ihrer „Verantwortung“.
    Nur ein mögliches, vereinfacht dargestelltes Beispiel: das Kind kann in einer wichtigen „Lernphase“ eine Hörminderung wegen einer nicht schmerzhaften, und daher nicht weiter auffälligen Mittel-Ohr-Entzündung erleiden. Es hört und speichert dadurch bestimmte Laute falsch.

    Eine Sprachtherapeutin ist durchaus in der Lage, eine natürliche, vorübergehende, altersgemäße Artikulation von einer nicht physiologischen, anhand von Erfahrung UND standartisierten Tests zu ermitteln.
    Desweiteren sind „Dyslalien“ nur eines von vielen kindlichen, sprachlichen Störungsbildern.

    Skepsis ist angebracht, aber Fachwissen hat durchaus seine Berechtigung.

    Als Therapeutin freue ich mich immer noch am meisten, wenn „meine“ Therapie Kinder mich nach relativ kurzer Zeit nicht mehr brauchen und Eltern sich be- und gestärkt in der Kommunikation mit ihren sprechfreudigen Kindern fühlen.
    Als Mutter habe ich den Schetismus meiner Tochter „überhört“ und die Therapie einer Kollegin überlassen :)

    Mit lieben Grüßen,

  10. Dani sagt:

    Vielen Dank für diesen Beitrag.
    Meine Tochter ist gerade 4 geworden. Sie spricht häufig undeutlich – manchmal aber auch deutlich. Das ist häufig auch abhängig davon, mit wem sie spricht oder wieviel Zeit sie sich für ihre Sprache nimmt. Der Kinderarzt hat bei der U8 vor 2 Monaten festgestellt, sie hat eine Dyslalie und wäre aber erst zur nächsten U9 kontrollbedürftig.

    Nun hat mich vor gut 1,5 Wochen eine Erzieherin angesprochen ob wir nicht über Logopädie nachgedacht hätten. Die Tochter spricht schlecht. Das hat mit schon ein wenig verunsichert und ich habe angefangen nun doch aktiv bei der Sprache gegenzusteuern. Ich selber spreche nun deutlicher, so dass es anderen auffällt. Dazu spiele ich mit ihr gemeinsam mit der Sprache oder lasse sie ohne Zwang diese Spielchen aus der Logopädie spielen.
    Dabei konnte ich dann auch feststellen dass viele Fehler in ihrer Sprache eher einmal falsch gelernte Wortkombinationen sind als Unvermögen richtig zu sprechen. Sie kann sie eigentlich ebenso auch korrekt sagen, wenn sie denn daran denkt. Ebenso viele Lautersetzungen k->t oder g->d kann sie eigentlich richtig sagen. Aber wieder auch nur, wenn sie daran denkt. Ich dachte, wir sind auf einem guten Weg.

    Heute nun sprach mit die Bezugserzieherin darauf an, dass Tochter nun 4 ist und Logopädie lieber eher angefangen werden sollte und sinnvoll ist.

    Und wieder bin ich frustriert und verunsichert. Durchforste das Internet und frage mich was wir falsch gemacht haben. Wir lesen jeden Tag mindestens eine halbe Stunde vor, es gibt kaum Fernsehen für sie, außer mal an einem verregneten Tag. Wir sprechen viel miteinander (daheim redet Tochter ohne Unterlass – wir sind seit einer Weile in der Warum-Phase und inzwischen komme ich teilweise an meine Wissensgrenzen und muss erst nachschlagen)

    Ich will nichts verpassen. Ich will natürlich nicht, dass sie durch Sprachprobleme gehemmt wird. Und hinterfrage mich selber ob ich vielleicht nur aus Faulheit keine Therapie machen will. Andererseits finde ich schon, dass meine Tochter ihre noch freien Nachmittage genießen soll. Wann soll sie denn sonst draußen toben und spielen. Ich denke eigentlich auch, dass sie das gemeinsam mit uns auch ohne Therapie schaffen wird.

    Und trotzdem bin ich wieder mal verunsichert.

  11. heinzhauser sagt:

    Hallo,

    ich bin dankbar für den Beitrag hier. Ich wurde in der 2. und jetzt noch mal in der 5. Klasse aufgefordert, mein Kind psychiatrisch untersuchen zu lassen, weil es sich angeblich angegriffen fühlt, obwohl die Situation dieses Gefühl nicht rechtfertigen würde. Zu Hause habe ich unseren Sohn gefragt, was es in der Schule gab. Er erzählte, dass zwei neue Mädchen in die Klasse kamen, und eines der Mädchen im eigentlich gut funktionierenden Klassenrat, den die Kinder einberufen, wenn es einen Konflikt gibt, und in dem diese Konflikte unter Aufsicht einer Lehrerin geklärt werden sollen, nun zu ihm gesagt hat, dass es ihn hasst und alle anderen ihn auch hassen würden. Ich gehe trotzdem zum Kinderarzt und stelle unseren Sohn mit den Hinweisen der Lehrerin (um die 55 J., Typ: deutscher Kampfpanzer, Feinbild: Jungs) vor. Mal sehen, was er dazu sagt.
    Zu dem Thema SES gibt es einen Artikel im Medical Tribune Nr. 42, S. 12, Okt. 2012. Frau Prof. Szagun beschreibt darin, dass es in Deutschland „horrende Prozentsätze“ angeblich sprachgestörter Kinder gäbe. So wären heute rund 33 % der Kinder in Deutschland – glaubt man den Diagnosen – in ihrer sprachlichen Entwicklung gestört.
    Ich glaube, man muss das im allgemeinen Trend der Diagnostik bei den Kindern sehen, wie z.B. auch Dyslexie, Dyskalkulie, Dyslalie auf der einen Seite und ADS und ADHS auf der anderen. Wenn man alle möglichen „Störungen“ berücksichtigt, würde das ja bedeuten, dass fast alle Kinder in Deutschland in irgendeiner Form gestört sind oder es zumindest einmal waren – und das noch vor dem 10. Lebensjahr!

    Ein Beispiel für die Folgen solcher Diagnosen gibt ein Junge aus der Klasse unseres Sohnes. Er spielt nach eigenem Bekunden bis in die Nacht am Computer (…). Morgens ist er oft schläfrig in der Schule und kann sich nicht konzentrieren. Er hat mit den anderen Kindern und den Lehrern praktisch nie Konflikte. Deshalb kommt er sehr gut mit allen zurecht. Er ist auch ein wirklich netter und begabter Junge. Probleme gab es erst, als es in der 4. Klasse unumgänglich schien, die schlechten Leistungen im Lesen und Schreiben nun auch mit einer Note zu bewerten, die zwar die Leistung spiegelt, aber die man in diesem Fall trotzdem nicht geben wollte. Lehrer und Eltern fanden zusammen die Lösung: Man brachte ihn zum Arzt, der eine Dyslexie bescheinigte. Der Junge bekam daraufhin wieder gute Noten, und die Welt war für alle in Ordnung. Eigentlich hätte die Lehrerin die Note 4 oder 5 geben müssen. Unter Rücksichtnahme auf die Diagnose konnte sie aber die Note 3 geben. Hätte sie nicht Skrupel gehabt, ihm dann auch eine gymnasiale Empfehlung aussprechen zu müssen, nämlich aufgrund der guten Noten, hätte sie dem Jungen sogar die Note 2 gegeben. Die Schule hat aufgrund der vielen Kinder mit ähnlichen Diagnosen eine zusätzliche Stelle bekommen, die Eltern sind zufrieden mit den schulischen Leistungen, und man könnte glauben, alles wäre gut. Vielleicht ist es aber so, dass der Junge schlau genug ist, um die Vorteile für sich zu erkennen: Er macht lieber Computerspiele, als ein Buch zu lesen, und genau das kann er jetzt weiterhin tun.
    Ich schliesse mich dem obigen Beitrag an. Was wir als Eltern tun sollten, wissen wir manchmal nicht mehr. Soll man sich dem „Schwarm“ anschliessen, und mit hinein schwimmen in diese Industrien der Kinderbetreuung? Zum Glück gibt es sehr viele junge Lehrer und auch Mediziner, die sich diesem Schwarm eben nicht anschliessen.

  12. Simone sagt:

    Hallo,

    ich kann mich dem oben Gesagten zu 100% anschliessen. Die Kindergartenzeit, besonders die Vorschulzeit meiner beiden Kinder war ständig überschattet von den Versuchen mich zu verunsichern und meine Erziehungskompetenz zu untergraben. Eine Linkshändigkeit meines Sohnes reichte aus um Ergotherapie empfohlen zu bekommen. Der dann verunsichert aufgesuchte Ergotherapeut bestätigte meine Einschätzung, dass mein Sohn im motorischen Bereich schon sehr gut entwickelt war und auch die schulärztliche Untersuchung ergab in puncto Motorik grünes Licht. Also keine Ergotherapie, dafür aber ein Kind, dass plötzlich nicht mehr malte und das volle 4 Monate lang (er malte vorher jeden Tag die schönsten Bilder). Irgenwann bekam ich dann raus, dass er durch die ganze Therapiegeschichte von Aussen den Eindruck bekommen hatte, er würde nicht schön oder nicht gut genug malen!!! Ist das nicht furchtbar. Seitdem malt er wieder fast jeden Tag. Ich bin aber auch am Ball geblieben, habe nicht locker gelassen. Und da sagte seine Erzieherin immer: „Therapie kann ja nicht schaden“…

    Für die Sprache wurde mir dringend Logopädie empfohlen. Nach dem zweiten Mal sagte die Logopädin mir, er würde sich sehr gut, sehr bewusst ausdrücken und hätte sehr gute Voraussetzungen für die Schule! Er ging dann noch ein paar mal nur so zum Spaß hin (die Logopädie wurde im Kindergarten durchgeführt), nach 6 Sitzungen habe ich die Farce dann im Einverständnis mit der Therapeutin beendet.

    Sprachförderung wurde ebenfalls im Kindergarten durchgeführt. Mir fiel gleich am Anfang auf, dass die Erzieherin immer „den“ und „dem“ falsch verwendete. Ich hoffte, es wäre nur Ihre Nervosität an jenem Tag gewesen. Ich merkte jedoch, dass dieser Fehler sich auch bei meinem Sohn einschlich und steuerte so gut ich konnte dagegen! Bei der schulärztlichen Untersuchung fiel auf, dass mein Sohn „den“ und „dem“ manchmal falsch verwendete! Ich habe meinen Sohn das letzte halbe Jahr vor der Einschulung nicht mehr in den Kindergarten gehen lassen (er wollte auch nicht mehr). Inzwischen sagt er „den“ und „dem“ an den richtigen Stellen … Wohlgemerkt, das ist kein schlechter Kindergarten, es ist ein Familienzentrum mit exzellentem Ruf. Ich bin froh, dass diese Zeit vorbei ist. Wenn ich noch ein Kind bekäme, ich würde es überhaupt nicht mehr in den Kindergarten geben.

    Viele Grüße, Simone

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