Typ-II-Trauma: Viele frühe Traumen sammeln sich an
Unter „Typ-II-Trauma“ wird eine chronische Traumatisierung im Kindesalter verstanden. Dabei muss es sich nicht unbedingt um einzelne, schlimme Ereignisse handeln. Viele Menschen sind in ihrer Kindheit chronisch traumatisiert worden, ohne dass sie sagen würden, sie wären misshandelt oder vernachlässigt worden. Es sind jedoch viele grenzwertige Erlebnisse, wie belastende Atmosphären, Strafen, Trennungen, Auseinandersetzungen, Missachtung, Kritik oder Liebesentzug, die in ihrer Summe eben doch zu einem „Trauma“ führen können.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 10.9.2010
Aktualisiert am 22.9.2020
4 thoughts on “Typ-II-Trauma: Viele frühe Traumen sammeln sich an”
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Hallo!
Beim Lesen merkte ich viel wohltuendes Übereinstimmungsgefühl, viele Assoziationen und Erinnerungsbilder entstanden vor meinem geistigen Auge. Typ-II-Trauma, vielleicht in milder Ausprägung, habe ich schon vor langem bei mir diagnostiziert. Ich bin in einer sechsköpfigen Arbeiter-Nachkriegsfamilie aufgewachsen. Schwere Selbstwert-Kränkungen, mein Aussehen betreffend (sehr seltene bisher unerforschte Fettstoffwechselstörung, Verschwinden des Fettgewebes im Gesicht, also extrem mageres Gesicht) ab meinem 7. Lebensjahr haben mich immer wieder extrem verletzt und mir das Gefühl eingeimpft: Du bist nicht in Ordnung!!
Psychotherapien waren unzureichend, was ich grtls. an den Methoden und den jeweiligen Therapeuten, auch mal an mir bzw. den jeweiligen Bedingungen festmache, wenn z.B. wegen Umzug oder dem Ende einer psychosomatischen Kur die therapeutischen Gespräche endeten. Eine Psychoanalyse, wie sie in diesem wunderbaren Blog dargestellt wird, hätte ich gerne gemacht (und würde sie auch heute noch sehr sehr gerne in Anspruch nehmen), aber die Bedingungen/die Realität sind dagegen. Es gibt sie in meinem Umfeld nicht.
Ich habe immer wieder EIGENE HILFEN gesucht und gefunden, manchmal dauerte es frustrierend lange. Menschen, die mir nicht gutgetan haben und z.B. mich und meine Helferkompetenzen NUR ausgenutzt haben, habe ich mit Mut aus meinem Leben `rausgeschmissen. Das geht aber nur, wenn ich GLEICHZEITIG positive, mir guttuende, mich weiterbringende und mich erfüllende Lebensinhalte und Beziehungen aufbaue. Solche Menschen (egal, wer) und Tätigkeiten tragen/halten mich.
Schön wäre so etwas wie eine Art Selbsthilfegruppe, ein Erfahrungsaustausch zwischen Typ-II-Traumatisierten, der für mich auch MÖGLICH bzw. erreichbar wäre. Die modernen sozialen Medien, wie das Lesen und Schreiben in diesem Blog bieten gute Möglichkeiten und bringen Licht und Hoffnung ins Dunkel! Danke!
Mit liebem Gruß!
Melande
Hallo Frau Dr. Voss,
meinen herzlichen Dank an Sie für Ihre Antwort. Sie haben mir meinen inneren Kampf sehr klar beschrieben. Das „Kind“ beim Namen zu nennen ist eine große Hilfe für mich und das macht den Weg erträglicher.
Das dieses Introjekt wie ein Krebsgeschwür wirkt, habe ich auch bereits selbst so gefühlt und irgendwie bestätigt diese These auch meinen Verdacht, warum mein jüngerer Bruder an Brustkrebs erkrankt ist.
Letzteres macht mich sehr traurig. Ich sehe den Zusammenhang zwischen der übergroßen Abhängigkeit an unsere Mutter….. Ja und da ist sie wieder die Schwester, die gerne aufklären würde aber nicht weiß, wie und in welchem Tempo sie das tun dürfte oder überhaupt!? Mein Weg hat mich zu Feldenkrais geführt und ich fühle mich innerlich seither ruhiger und in der Gruppe gut aufgehoben. Vielleicht hilft es auch, wenn ich meinem Bruder davon erzähle „Bewußtheit durch Bewegung“. Eine Psyhotherapie habe ich immer mal wieder in Betracht gezogen, denke allerdings, dass ich jetzt schon so weit gegangen bin durch Lesen, Aufschreiben der Vergangenheit, Intuition… Mag sein, dass sich der Anspruch an mich, alles alleine schaffen zu müsssen, querstellt. : „Hilf Dir selbst, sonst hilft Dir keiner“, ist es dieser alte Satz, der mich quält bzw. an einem lust- und freudvollerem Leben so häufig hindert?
Danke für Ihren wunderbaren Blog! Alles Gute für Sie.
Hallo „Anonym“,
der Ausbruch aus dem Gedankenkarrussell ist wirklich sehr, sehr schwierig. Ein Kontaktabbruch ist oft ein sinnvoller Schritt, um sich diesen Verletzungen nicht immer wieder neu auszusetzen. Allerdings nimmt man die „innere Mutter“ ja mit – manchmal kreisen die Gedanken nach dem Kontaktabbruch noch eine Zeit lang umso mehr um die Mutter, zu der man den Kontakt abgebrochen hat. Man ist es so gewohnt, immer „bestraft“ worden zu sein, dass man sich quasi selbst bestraft, sobald die äußere Person wegfällt, die einen normalerweise immer schädigt. Psychoanalytiker sprechen da auch vom „malignen Introjekt“; es erinnert ein wenig an ein „Krebsgeschwür“, das man sich mit herumträgt und das manchmal zur Ruhe kommt und kleiner wird, aber manchmal eben auch größer. Daher kämpft man dann auch mal mehr und mal weniger gegen diesen „inneren Angreifer“. Mal will man ihn „töten“, mal akzeptieren und friedlich mit ihm leben. Schuldgefühle und Zweifel erschweren einem dabei das Leben. Es ist ein Kampf. Helfen können da oft neue Beziehungserfahrungen – der Kontakt zu Menschen, die einem wirklich gut tun, bewirkt, dass man auch sich selbst gegenüber freundlicher wird. Das funktioniert oft gut in einer psychoanalytischen Therapie, in der der Therapeut dem Patienten wirklich wohlgesonnen ist – auch im höheren Alter. Aber auch gute Freunde oder Gruppen können dabei helfen, den friedlichen und freundlichen Teil des Lebens zu erweitern, so dass das Schlechte nicht mehr so viel Raum einnimmt.
Wie kann ich für mich selbst sicherer werden? Ich gehöre zur Nachkriegsgeneration und habe die schwarze Pädagogik erfahren müssen, brav lieb nett angepasst bis hin zur selbstverleugnung. gefühle zu zeigen war ein tabu, traurigkeit, weinen wurde bestraft durch anschreien, niedermachen, geh in dein Zimmer, geh mir aus den Augen, hör auf zu heulen, reiß dich zusammen…. bereits als Kind war ich ständig müde, bin heute schnell erschöpft bzw. reagiere auf stress entweder hektisch agierend oder ziehe mich zurück. hatte immer wieder depressive phasen, lese viel zum Thema und lerne so langsam mich abzugrenzen von den alten methoden und meiner mutter, die das zepter in der hand hielt. jetzt ist sie alt und krank, lässt sich wie eh und je von ihren kindern „bewegen“ und versorgen. mein problem ist, dass sie mit ihren krankheiten von der Kindheit an druck auf mich ausgeübt hat und ich mich ihr auf psychischer Ebene nur schwer entziehen konnte – bis heute, räumlich hab ich es geschafft (Kontaktabbruch) seit einem halben jahr, allerdings kreisen die Gedanken ständig um sie und meine geschwister meiden mich aus unverständnis und mangel an emphatie für mich und meine Situation. Bin die älteste! Anrufe etc von ihnen. kommen nur, wenn es veränderungen oder probleme mit der mutter gibt. es geht nie wirklich um mich dabei. von kind an fühlte ich mich für alle und alles verantwortlich und übernahm sofort die schuld, wenn etwas danebenging. wie schafft man den ausbruch aus diesem teufelskreis „Gedankenkarusell?“