Leeregefühle

Es gibt unangenehme Gefühle wie Angst, Scham, Neid, Wut, Eifersucht und Schuldgefühle – aber am schlimmsten sind wohl die Gefühle der Leere. Sich wie ein leerer Raum zu fühlen, in dem es keine Beziehungen und keinen Sinn gibt und in dem sich Langeweile und Einsamkeit wie ein riesiger Schlund öffnen, macht vielen Menschen Angst. Die meisten Menschen wollen Gefühle der Leere unbedingt vermeiden, obwohl auch sie zum Leben gehören.

Manchmal kann es leichter sein, Streit, eine Katastrophe, ein Ärgernis oder eine Panikattacke zu ertragen. Manchmal gibt es eine Schaukelei zwischen dem einen und dem anderen – da scheint entweder nur Leere oder nur lautes Chaos zu sein. Der Raum in der Mitte, in dem es Ruhe und Sättigung gibt, scheint nicht da zu sein.

„Abwesenheit ist eine Anwesenheit, die angreift.“
(Faimberg, Hayde 2005: Après-coup. Response. Int J Psycho-Anal 86: 1-6., übersetzt von Christa Rohde-Dachser in : „Schwermut als Objekt“)

Wie entstehen Gefühle der Leere?

Es gibt Kinder, die dürfen nie in Ruhe sie selbst sein. Sie dürfen nicht ihren Gedanken nachgehen und sich nicht ins Spiel vertiefen. Immer sind da irgendwo Eltern, die das Kind unterbrechen – Eltern, die ihren Kindern beibringen, wie sie „sein sollen“ und ihnen keinen Raum geben, zu entdecken, wer sie sind.

Viele Kinder entwickeln im Laufe ihrer Kindheit ein „Falsches Selbst“. Sie sind immer angepasst und tun das, was die Eltern oder die anderen wollen, um Ärger zu vermeiden. In ihrer Kindheit war es oft karg – von Liebe, Wärme und Verstehen gab es wenig. Kritik, Strafen und vielleicht auch Schläge kamen dagegen in Hülle und Fülle vor. Kinder, die sexuell missbraucht werden, fühlen sich oft direkt nach dem Missbrauch leer. Wenn da niemand ist, der die Kinder auffängt und der ihnen das gibt, was sie brauchen, entsteht Leere.

Manchmal sollen Essen, Alkohol oder Drogen die Leere füllen oder die inneren Angreifer lähmen.

Wenn da nichts war …

Andere Menschen leiden darunter, dass da „gar nichts war“ in ihrer Kindheit – kein Trauma, keine Schläge, keine Katastrophen, keine Gewalt, aber auch kein Interesse. Da, wo etwas hätte sein sollen, war nichts. Die Eltern reagierten nicht auf ihr Kind. Das Gefühl von Leere und Beziehungslosigkeit ist für die Betroffenen oft so stark und so schwer auszuhalten, dass sie phasenweise über Selbstmord nachdenken.

Gute Beziehungen helfen, sich selbst wiederzufinden

„Du musst dich selbst lieben“, bekommen viele Menschen zu hören. Abgesehen davon, dass das auch für lebensfrohe Menschen oft ein Kunststück ist, ist es für Menschen, die selbst wenig Liebe erfahren haben, sehr schwierig. Viele Betroffene finden in einer Psychoanalyse die Zeit und den Raum, die Akzeptanz und auch die emotionale Wärme, die sie suchen. In guten Beziehungen merkt man: Da ist ja was! Das, was ich fühle, ist ja doch richtig! Das, woran ich mich erinnere, ist so geschehen. Das, was ich wahrnehme, nehme ich „richtig“ wahr. Und das Gegenüber erkennt mich und kann das, was ich fühle und denke mit ihm teilen.

Neugierig auf sich selbst sein

Vorbilder können die eigenen Interessen wieder wecken. Wärmende Beziehungen können die eiskalte Einsamkeit verringern. Doch der Weg dahin ist oft lang, denn Beziehungen kann man nicht herbeizaubern. Die Leere und den Mangel zu spüren und benennen zu können, ist ein wichtiger Schritt. Vielleicht füllt sich das leere Gefäß dann langsam mit Traurigkeit. Doch auch Traurigkeit kann man oft nur zulassen, wenn jemand da ist, der tröstet. Manchmal geht Traurigsein nur mit einem Gegenüber. Zu schmerzlich ist sie oft, wenn niemand da ist, der sie mitträgt.

Sinnliches erfahren

Es gibt immer wieder Tage, an denen man keine Kraft für Beziehungen hat und lieber mit sich allein bleibt. Vielen hilft der Bezug zur Natur, zu Haustieren, zur Kunst, Bewegung oder Musik. Manche Menschen reisen viel, um neue Erfahrungen und Bilder aufnehmen zu können, aber auch, um neue Menschen kennenzulernen und neue Kontakte knüpfen zu können.

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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am: 5.7.2013
Aktualisiert am 16.6.2019

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